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ihre Seele voll leidenschaftlichen Ansturmes darnach sehnte. Sie liebte den Kampf, wie man prächtige, farbenreiche Gemälde und eine berauschende Musik liebt, und ebenso hatte sie ihn in ihrer Vorstellung. Eine undeutliche Begier nach dem Gefühle von Sieg machte sich zeitweise bei ihr geltend; allein im Nichtsthun aufgewachsen, nie angespornt und gekräftigt, sondern verzärtelt, verfeinert, schlief ihre Kraft und verkümmerte und ging über in eine krankhafte, unmotivierte Sehnsucht.

So war sie.

Sie träumte von einem Glücke, dessen bunte Fülle ersticken müßte.

Sie erwartete es täglich, lebte beständig in Erwartung von etwas Neuem, Fernem. Gleich einer Sonnenblume stand ihr Gemüt einem unbekannten Etwas offen. – – –

Im Walde lag sie im Moose langgestreckt und suchte zwischen den Wipfeln der Tannen den Himmel.

Das war schön.

Mitunter verfolgte sie den Flug des Adlers oder einen Weih, wie der seine stillen Kreise zog und gleich einem schwarzen Punkte in den Lüften hing.

Empfohlene Zitierweise:
Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/41&oldid=- (Version vom 13.9.2022)