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Spuren seines Einflusses finden sich nicht selten in ihren Werken. Das Verlangen nach stolzer Freiheit ist es auch, das ihr die Liebe zu der majestätischen Gebirgsnatur der Heimat, in der sie erwachsen ist, tief im Herzen wurzeln läßt. In ihr erhebt sie sich zu reinster, urgewaltiger Poesie. Es sind ihre besten Schöpfungen, in denen sie die Schicksale ihrer Menschen mit dem Leben der Natur innig ineinanderwebt. Und auch ohne Menschen bietet diese ihr dramatischen Stoffes genug, um bewegte, farbenreiche Bilder aus ihr zu gewinnen. Selten ist es einem Dichter gelungen, das geheime Leben des Waldes bis in seine verborgensten Regungen menschlichem Empfinden so nahe zu bringen, wie Olga Kobylanska es gethan, in höchster Vollendung in der Schilderung der Schlacht zwischen den hundertjährigen Riesen der freien, stolzen Berge und dem kleinen, gewinnsüchtigen Menschenvolk, das sich mit ruchloser Hand an der heiligen Größe des Urwaldes vergreift. Wohl öffnet sie ihr Herz auch der Not des Tages und den Leiden der Kleinen, wie sie ein paar treffliche Bildchen aus dem mühseligen Dasein der Bauern gezeichnet, doch ist es das Große und Freie in der Menschenseele wie im Leben der Natur, bei dem sie am liebsten verweilt, und die Aristokratin des Gemütes ist ihre Lieblingsheldin. Den Gedanken, welcher für ihr weiteres Schaffen bestimmend geworden ist, spricht sie aus in den Worten: „es scheint mir, daß man besonders im Leben des einfachen Landmannes auch

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Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite XXIV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/32&oldid=- (Version vom 13.9.2022)