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unterliegt diese Litteratur in Rußland noch einer strengeren Zensur als die russische selbst. So kommt es denn, daß die kleinrussische litterarische Bewegung noch jetzt ihr eigentliches Zentrum in den österreichischen Gebietsteilen hat. Die führenden Geister der ukrainischen Litteratur in den siebziger und achtziger Jahren sind Lewytzki-Netschuj, Konyski, Myrnyj und Schtschoholew. Iwan Lewytzki-Netschuj, geboren 1838, ist einer der beliebtesten Erzähler der kleinrussischen Litteratur. Er führt in alle Schichten der Gesellschaft, läßt die verschiedensten Typen seines Volkes ihr Wesen zeigen; wir sehen den Bauer in seiner armseligen Hütte, den Arbeiter in der Fabrik, wir lernen die Kreise der Gebildeten kennen, die Ideen, welche sie bewegen. Bald sind es Bilder voll tiefer Tragik, bald leicht und fröhlich hingeworfene Skizzen. Und auch der Tradition brachte Lewytzki seinen Tribut, indem er in seinen „Saporogern“ wieder die alten romantischen Zeiten erstehen ließ. In derselben Richtung bewegen sich auch die Werke des äußerst rührigen Alexander Konyski (1836–1900). Eine schärfere Betonung der sozialen Momente, kraftvollen Protest gegen alle Bedrücker des Volkes finden wir in den Erzählungen von Panas Myrnyj, welcher mit Vorliebe das in Mühsal und Not sich dahinschleppende Bauernvolk mit seinem wilden, ohnmächtigen Grimm gegen die Herren zum Gegenstand seiner lebensvollen, psychologisch scharfen und

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Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite XVI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/24&oldid=- (Version vom 13.9.2022)