Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/11

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

seinen Stoff behandelte, läßt sein Werk im Lichte der Geschichte als eine grundlegende That erscheinen. Zum ersten Male wurde hier das Volkstümliche, das Nationalkleinrussische mit voller Kraft zu seinem Rechte geführt, und von nun an nahm die kleinrussische Nation selbständig Teil an den gesamt-europäischen litterarischen Bewegungen. Nicht nur, daß hier zum ersten Male die Sprache des kleinrussischen Volkes mit Erfolg in die Litteratur eingeführt wurde, während man sich bisher einer Sprache bedient hatte, welche aus polnischen, großrussischen und vorwiegend altkirchenslawischen Bestandteilen zusammengeflickt war, auch das Volk selbst tritt hier treu und lebendig auf die Bühne. Denn die ganze Geschichte von den trojanischen Helden, den bunten antiken Götterhimmel benutzt Kotlarewski nur, um unter ihrer Maske seine eigenen Volksgenossen zu schildern. So sind die Götter mit Zeus an der Spitze nichts anderes als die kleinrussischen, polnischen und russischen Adligen und Beamten, die sorglosen Herren des arbeitenden Volkes, die in Saus und Braus dahinleben und keine höheren Ideale kennen als Essen und Trinken, und Trinken vor allem, während Aeneas und seine Gefährten echte fahrende Kosaken sind, welche in ihren Schiffen die Lieder der alten Saporoger singen von der Herrlichkeit ihres Sicz. – Wohl hat ein Kritiker Kotlarewski einen strengen Vorwurf daraus gemacht, daß er das kleinrussische Leben nur im Spott und von der lächerlichen Seite behandle, doch ganz

Empfohlene Zitierweise:
Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite III. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/11&oldid=- (Version vom 13.9.2022)