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vorteilhaft aus. Ein Makel aber haftete an ihrem Lebenswandel, der dem Pfarrer gar nicht so geringfügig vorkam, der bestand eben darin, daß sie in jeder Christnacht verschwand und niemand wußte, was dann aus ihr geworden war. Der Pfarrer drang deshalb häufig mit Fragen in sie, allein, sie sagte, ihn gehe das gar nichts an. Dies war die einzige Sache, über die sie uneins waren.

Einst verdingte sich bei dem Pfarrer ein armer Wanderbursche[WS 1]; er war unansehnlich von Gestalt und Wuchs, doch glaubten die Leute, er verstehe sich auf mehr Dinge als gewöhnliche Menschen. So ging es auf Weihnachten zu, ohne daß sich etwas besonderes zutrug. Am Weihnachtsheiligabend jedoch ist der Bursche draußen im Pferdestall damit beschäftigt, die Leibpferde des Pfarrers zu kämmen und zu verpflegen. Da schlüpft auf einmal die Frau des Pfarrers herein und beginnt mit dem Burschen ein Gespräch über allerlei Dinge, und ehe er sichs versieht, zieht sie unter der Schürze ein Gebiß mit Zaumzeug hervor[1] und legt es dem Burschen an. Dasselbe aber übt eine solche Zauberkraft aus, daß der Bursche die Pfarrersfrau ruhig seinen Rücken besteigen läßt und wie der Wind mit ihr davonläuft. Es geht über Berg und Tal, über Felsen und Geröll, nichts hemmt den Ritt; dem Burschen ist beinah, als wate er durch dicken Rauch. Zuletzt kommen sie an ein kleines Haus. Dort steigt sie ab und bindet den Burschen an einen in der Hauswand befindlichen Pflock. Darauf geht die Pfarrersfrau an die Tür des Hauses und klopft an. Es kommt nun ein Mann heraus und empfängt sie ausgezeichnet freundlich und nimmt sie mit ins Haus. Sobald sie aber darin verschwunden sind, löst der Bursche den Zügel von dem Pflock, befreit sich mit einiger Mühe von dem Gebiß und steckt es zu sich.


  1. Das Zaumzeug zum Hexenritt wird folgendermaßen hergestellt: man gräbt einen kürzlich begrabenen Menschen aus und zieht ihm die Rückenhaut ab, daraus macht man den Zaum. Das Kopfgeschirr bereitet man aus der Kopfhaut des Toten, das Mundstück aus dem Zungenbein und die Stange aus dem Hüftknochen. Ein Zauber wird darüber gesprochen und das Zaumzeug ist fertig. Man kann es nun einem Menschen oder Tier, Stock oder Stein anlegen und sich dann aufsetzen, so geht der Ritt blitzschnell vor sich, zu welchem Ort man will.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Wanderburche