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zögerte, sie anzublicken, da warf sie ihm barsch vor, daß er ja doch nur der Sohn des Schwächlings Adam und der Sünderin Eva sei, die den Fluch auf die Menschheit herabbeschworen habe. Darauf verschwand sie. Abel macht nun seinem inzwischen erschienenen Bruder den Vorschlag, von nun an jede Begegnung mit dem gefährlichen Weibe zu meiden, Kain willigt ein, nimmt sich aber vor, sie nur im geheimen zu besuchen. Abel aber haßte er, denn er hatte seine schönste Freude gestört und ihn durch das ihm abgenötigte Versprechen zum Meineidigen gemacht. Allein Lilith war mit ihrem bisherigen Erfolge nicht zufrieden und wollte die Brüder auch mit ihrer Mutter verfeinden. Da sie nun auf Abel keinen Einfluß hatte, so erzählte sie Kain, daß Eva einst, was er bisher nicht wußte, durch ihre Unfolgsamkeit aus dem Paradiese getrieben und daß dadurch ihre Nachkommen zu schwerer Arbeit und zu Entbehrungen aller Art verurteilt worden seien. Darauf verließ er seine Mutter. Als er seinen Bruder von der sträflichen Handlung ihrer Eltern in Kenntnis setzte, machte ihm dieser bittere Vorwürfe darüber, daß er sein Gelübde gebrochen und die Gesellschaft des fremden Weibes doch aufgesucht habe. Da Kain auch inzwischen ausgefunden hatte, daß Abels Opfer vor Gott freundlich, das seinige aber unfreundlich aufgenommen worden war, da erschlug er den Bruder und entfloh. Lilith, die ihm dabei mit teuflischer Freude zugesehen, erschien in der Nacht der Eva und zeigte ihr mit kaum hörbarer Stimme den Tod ihres Sohnes an.

„Thy son, o Eve, is dead! Thy Abel dead!
For Cain with his own hand hath struck him down.
And I–I, Lilith, daughter of the night,
Thy Adam’s once – beloved, have compassed this.
This miracle is mine, thy birth of Death!
I taunt the, Eve, for vengeance now is mine!“

Der originelle, in seiner Vaterstadt Frankfurt a. M. noch heute hochgeschätzte Dialektdichter Fr. Stoltze hat der Lilithsage eine so eigenartige humoristische Seite abgewonnen, daß ich nicht umhin kann, das betreffende Produkt hier abdrucken zu lassen.