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entgegenbrachte, angeeignet hatte, bezog er Harward College, woselbst er, da er von seinen Verwandten nur spärliche Unterstützung erwarten konnte, sich eines äußerst ökonomischen Lebens befleißigen mußte. In den Ferien hielt er gewöhnlich auf dem Lande Schule und ließ sich nach dem damaligen Gebrauche von den Bauern Kost und Logis liefern. Bei dieser Gelegenheit lernte er auch einen gebildeten Landgeistlichen kennen, der ihm Unterricht in der deutschen Sprache und Litteratur gab.

Als 1834 Emerson seinen dauernden Wohnsitz in Concord aufschlug und von Dr. Ripley auf die Talente und die Mittellosigkeit Thoreau’s aufmerksam gemacht wurde, ließ er es sich nicht nehmen, den jungen Studenten nach Kräften pecuniär zu unterstützen. Thoreau’s Verwandte waren jedoch von dem Fortschritte seiner Studien, die auch oft durch Kränklichkeit unterbrochen wurden, nicht besonders erbaut, und als er 1837 graduirte, geschah dies ohne jede akademische Auszeichnung. Auf eine solche legte Thoreau, der ein geschworener Feind aller Formalitäten war, auch nicht den allergeringsten Werth.

Sein damaliger Schulkamerad John Weiß, der sich später als Geistlicher der Unitarierkirche hervorthat, hat im „Christian Examiner“ (Juli 1865) dem Universitätsleben Thoreau’s eine ausführliche Schilderung gewidmet. Nach diesem wahrheitsgetreuen Berichte wurde Thoreau für einen geistig beschränkten, mürrischen Sonderling gehalten, mit dem, da er aus seiner Verachtung alles geselligen Wesens und aus seiner Gleichgültigkeit gegen Welt und Menschen durchaus kein Geheimniß machte, keiner seiner Mitschüler in kameradschaftlichen Verkehr trat. Auch seine Lehrer hatten wenig Sympathie für ihn übrig. Sein Leben, verglichen mit dem anderer Studenten, war die Einfachheit selber. In religiösen und socialen Fragen huldigte er schon damals radikaleren Ansichten, als seine Bekannten rathsam fanden. „Die Erziehung,“ sagt er, „macht aus einem sich

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Karl Knortz: Ein amerikanischer Diogenes (Henry D. Thoreau). Verlagsanstalt und Druckerei A.-G., Hamburg 1899, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Knortz-Ein_amerikanischer_Diogenes_(Henry_D.Thoreau).djvu/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)