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ist es nicht zweifelhaft, dass die Frage der Errichtung eines Realgymnasiums bloss eine Frage der Zeit ist, und dass wie die Volksschule, wie die Realschule, so auch seiner Zeit das Realgymnasium zum Heil des Humanismus und Realismus zugleich aus dem humanistischen Gymnasium geboren werden wird.“ Die Gründung des Realgymnasiums in Württemberg, welche dieser bedeutende Philologe und Schulmann unseres engeren Vaterlandes damals als unzweifelhaft bevorstehend erkannte, ist wirklich erfolgt, und zwar, wie auch wir glauben, zum Heil des Humanismus und Realismus, die dadurch zu einer höheren Einheit verschmolzen wurden.

Es kann nicht meine Aufgabe sein, hier die Idee des Realgymnasiums zu entwickeln. Es ist dies von dem Altmeister des Württembergischen Realgymnasiums, Oberstudienrat v. Dillmann in Stuttgart, in so trefflicher Weise geschehen, dass dem nichts beigefügt werden könnte. Aber das kann ich an dieser Stelle nicht unterlassen, den Wunsch auszusprechen, dass bald der Tag kommen möchte, an dem das Realgymnasium ebenbürtig und gleichberechtigt neben das humanistische Gymnasium treten darf. Denn von dem Masse der Berechtigungen hängt das Gedeihen einer Schulform, ihre Anerkennung und Benützung von seiten des Publikums ab. Bekanntlich will das Realgymnasium es dahin bringen, dass seinen Abiturienten auch das Studium der Medizin und Rechtswissenschaft gestattet werde. Was die erstere betrifft, so haben wir nicht leicht Zutreffenderes gelesen, als folgenden Artikel, den wir dem Schwäb. Merkur vom 9. Nov. 1896 Nr. 263 entnommen haben: „(Realgymnasium und Medizin.) Unter dieser Ueberschrift bespricht Dr. Kewitsch in Freiburg i. Br. in der Allg. Med. Zentralztg. im Anschluss an einen Aufsatz von I. Pagel die „mangelhafte Vorbildung, welche das Gymnasium dem Mediziner mit auf den Weg giebt“ und führt dabei u. A. aus: Trotz aller Reformen am Gymnasium ist und bleibt der Erfolg: Unzulänglich für den Mediziner. Es kann alles nichts helfen, zwei tote Sprachen sind zuviel, es bleibt für die der allgemeinen Bildung dienenden Unterrichtsgegenstände zu wenig Zeit übrig, als dass mehr als äussere Abrichtung heraus kommt. Die Hochbegabten freilich kommen auch so durch, wie Helmholtz bestätigt, der da sagte, es sei weniger der Unterrichtsgegenstand als die Persönlichkeit des Lehrers bei ihm von Einfluss gewesen; sie haben nur noch das Gute aus der Schulzeit in der Erinnerung, das sie mehr sich selbst verdanken, und wissen nicht, wie den übrigen Sterblichen zu Mute war. Der Zustand ist doch ganz unwürdig, dass die Mehrzahl der Aerzte beim Studium bahnbrechender Schriften sagen muss: Es ist Mathematik, schlagen wir um! Als der preussische Minister Falk s. Z. Umfrage hielt, ob den Realgymnasien die Berechtigung zum medizinischen Studium erteilt werden solle, erklärte sich die übergrosse Mehrzahl der Aerzte dagegen. Die gleiche Umfrage stellt neuerdings der bayrische Minister: wird er eine andere Antwort erhalten? Ich fürchte, auch diesmal wird bei den Aerzten nicht das sachliche Moment die Entscheidung geben, sondern eine nebelhafte Vorstellung von der vermeintlichen Wirkung in mancherlei Nebendingen. (Ist wirklich so gekommen. Der Verf.) Da redet man sich ein, es werde alsdann Mediziner erster und zweiter Klasse geben, indem man unterschiebt, die zweite Klasse werde die Realisten umfassen. Die Kurzsichtigen! Gerade umgekehrt dürfte

sich leicht das Verhältnis gestalten. Fördern die Realgymnasien nicht in weit höherem Masse die gegenwärtige allgemeine Bildung als die Gymnasien, die stehen geblieben sind in der Bildung früherer Zeit? Als die philosophische Fakultät den Realisten geöffnet wurde, ging die Regierung eigenmächtig vor und fragte bei Niemand an, denn sie wusste vorher, dass alle Gymnasiallehrer sich dagegen aussprechen würden. Und was war der Erfolg? Erst seit dieser Zeit haben unsere Kinder tüchtige Lehrer in den neuen Sprachen und in der Naturwissenschaft erhalten. Gewiss, vereinzelt gab es auch früher Mathematiker, die, besonders begabt, zwar nicht auf der Universität, aber auf dem Gymnasium autodidaktisch sich weiterbildeten und im Naturunterricht Tüchtiges leisteten. Die waren aber an den Fingern zu zählen. . . . Aber so sagt man, der Arzt braucht das Griechische wegen der technischen Ausdrücke. Muss man derenthalben 6 Jahre lang jeden Tag auf der Schule Griechisch treiben? Was sind jene Namen mehr als Ausdrücke für Begriffe, die einem um so geläufiger werden, je öfter man sie anwendet! Muss ich deshalb auf der Schule Italienisch lernen, um zu verstehen, was die Namen „Allegro, Da capo, Skizze, Diskonto oder Skonto“ bedeuten? Unsere Frauen wissen ganz genau, was „Diagnose, Diarrhöe, Rheumatismus, Katarrh“ bedeuten und haben doch kein Griechisch gelernt. Viele Aerzte finden ja auch das Haltlose dieser Einwände heraus, aber sie sagen: Der Zudrang zum medizinischen Studium ist schon zu gross, wir dürfen ihn nicht noch verstärken. Es zeugt zunächst von wenig Edelsinn, aus solchem Grunde sein Votum abzugeben. Die Befürchtung ist überdies unbegründet. Die Ueberfüllung ist entstanden trotz des Gymnasialmonopols. Erweitert man die Berechtigungen der Realschulen, so werden eben sofort weniger Gymnasisten das medizinische Studium ergreifen.“

Bezüglich der Ermöglichung des Studiums der Rechtswissenschaft hat der Verfasser dieses Programms als früheres Mitglied der Württb. Kammer der Abgeordneten einen Antrag gestellt, der von dieser Kammer am 11. Juni 1895 angenommen und von der Presse aller Parteien des Landes durchaus sympathisch besprochen wurde. In Nro. 21 der deutschen Juristenzeitung von 1896 beklagt der Jahresbericht des Präsidenten der preussischen Justizprüfungskommission bei den Kandidaten namentlich den Mangel an Logik. Wäre es da nicht eines Versuches wert eine Probe zu machen, wie die mathematisch-logische Schulung des Realgymnasiums wirken würde?

Was die Behandlung der einzelnen Unterrichtsfächer anlangt, so ist es nicht ohne Interesse zu beobachten, wie in neuerer Zeit bedeutende Philologen sich den Grundsätzen nähern, welche das Württb. Realgymnasium für den Betrieb des Lateinischen aufgestellt hat. So tritt A. Waldeck im Septemberheft der „Zeitschrift für das Gymnasialwesen“ von 1896 dafür ein, dass die lat, Komposition beim Abiturientenexamen wegfalle und durch eine Exposition ersetzt werde. Er weist darauf hin, dass auch die Ergebnisse des griech. Unterrichts nach Abschaffung der griech. Komposition dafür sprechen, indem er sagt: „Ich erteile diesen Unterricht seit 27 Jahren in Prima und Sekunda, spreche also gewiss aus Erfahrung, wenn ich