Seite:Klabund Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde 089.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Dramen karikaturistische Bilder aus dem bürgerlichen Heldenleben: Streber, Schieber, sentimentale Kokotten, amusische Dichter, intellektuelle Schweinehunde, Auch- und Bauchsozialisten. In seinen Dramen wie in seinen Novellen holt er das letzte virtuos, aber ohne Herz, aus der Technik des Wortes. Seine Geschichten laufen ab wie Maschinen. Er ist ein Ingenieur der Sprache. Herbert Eulenberg (geb. 1876 in Mühlheim) bemalt seine dramatischen Helden und Heldinnen blaßrosa und blaßblau. Sie gleiten schattenhaft durch eine romantische Kulissenwelt. Eduard Stucken (geb. 1865 in Moskau) beschwört noch einmal Montsalvatsch und die Gralsritter in klingenden, mit Innenreimen geschmückten Versen. Georg Kaiser (geb. 1878 in Magdeburg) pflanzt sich ganz breitspurig und heutig vor uns hin. Teufel, ist das ein Leben, was sich da vor uns und um uns und in uns abspielt. Aktiengesellschaften werden gegründet aus Menschenliebe, aus Bonhomie[1], mit Ewigkeitsansprüchen. Beim Brand des Opernhauses entzünden sich alle Leidenschaften. Von morgens bis mitternachts rollt ein ganzes Leben ab via Bankinstitut, Freudenhaus, Park, Café, Heilsarmee. Harry Kahn’s Komödien verbinden berlinischen Schmiß mit einem Schuß Kleistischen Gefühls. Hans Johst’s ekstatische Szenerien haben sich zu vollgültigen Dramen noch nicht ausgewachsen. Georg Kaiser, Sternheim, Eulenberg geben in ihren Dramen allerlei indirekte Antworten auf direkte Fragen. Das sind alles Passionen, die sich da abspielen. Walter Hasenclever (geb. 1890) im „Sohn“ und René Schickele (aus dem Elsaß, geb. 1883) in „Hans im Schnakenloch“ gehen zur Aktion, zur These, zur Forderung über. Nicht: so seid ihr! Sondern: so sollt ihr sein: so soll der Sohn gegen den Vater, der Mensch zwischen den Rassen sich entscheiden. Hasenclevers „Antigone“, Unruhs „Ein Geschlecht“ sind ebenfalls programmatische Äußerungen: gegen den Krieg, während Hasenclever[2] in seinem letzten Drama „Menschen“ zur Romantik umkehrt – den
== Anmerkungen (Wikisource) ==

  1. Bonhomie (franz.), Gutmütigkeit, Biederkeit
  2. Vorlage: Hasencclever
Empfohlene Zitierweise:
Klabund: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde. Leipzig-Gaschwitz: Dürr & Weber, 1920, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Klabund_Deutsche_Literaturgeschichte_in_einer_Stunde_089.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)