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kann: Matthias Claudius (1740–1815), der „Wandsbecker Bote“ und Johann Peter Hebel (1760–1826), der „Rheinische Hausfreund“. In der Gesamtausgabe der Schriften des „Wandsbecker Boten“ befindet sich am Eingang eine Zeichnung von Freund Hein[1], dem Tod. Obgleich die Zeichnung ein Skelett darstellt, ist der Tod gar nicht schrecklich anzusehen, streng, aber freundlich steht er da. Mit Freund Hein stand Claudius auf vertrautem Fuße. Er war ihm der Freund Hein: trotz aller Schmerzen, aller Dunkelheiten, die er bringt. Sein „Abendlied“ gehört zu den deutschesten deutschen Gedichten. Sein „Rheinweinlied“: das trunkendste Trinklied. Schon in der Schule haben wir uns mit Claudius befreundet wie mit einem guten alten Onkel, als er uns die lustige Geschichte erzählte vom Riesen Goliath und dem Zwerg David, und von Urian, welcher die weite Reise machte. Johann Peter Hebel, Volksfreund und Volksdichter wie er, ist sein jüngerer Bruder. Ich kenne keinen Schriftsteller in Deutschland, der zu erzählen weiß, wie der ehemalige Theologieprofessor Johann Peter Hebel. Gewiß, er predigt zuweilen Moral. Aber in welcher Sprache! Das ist ein Deutsch, wie es einfacher und tiefer, zweckloser und klangvoller nicht erdacht und geschrieben werden kann. Und die Moral, die er einer schönen Geschichte zuweilen anhängt: wie nebensächlich ist sie und nur als Schlußpunkt von Bedeutung! Die Hauptsache ist ihm der Mensch oder das Ding „an sich“, das er betrachtend formt und schmerzlich sinnend oder lächelnd in seinen Vortrag stellt. Wir sind alle wie Kinder vor ihm, und wenn wir in der Dämmerung in den Himmel sehen und die Sterne hervorkommen: die Venus oder die Juno, die funkelnden Himmelsfrauen, und wir ihn fragen: „Vater, was ist mit den Sternen und mit dem Himmel?“ – Dann wird er uns über die Haare streicheln und leise sprechen: „Der Himmel ist ein großes Buch über die göttliche Allmacht und Güte, und stehen viel bewährte Mittel darin gegen den Aberglauben

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe Commons
Empfohlene Zitierweise:
Klabund: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde. Leipzig-Gaschwitz: Dürr & Weber, 1920, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Klabund_Deutsche_Literaturgeschichte_in_einer_Stunde_045.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)