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gegenüber, denn es ging ums Gottesgnadentum, es ging um Autokratie oder Demokratie schon damals. Es handelte sich darum, ob die deutschen Fürsten ihre Untertanen als Schlachtenfutter nach Amerika verkaufen könnten wie ein Stück Vieh, um aus dem Erlös ihre fetten Huren und lasterhaften Gelage zu bestreiten, oder ob der Mensch ein Mensch wie sie, ob es nicht unvergängliche „Menschenrechte“ gäbe, die niemand wagen dürfe anzutasten, der nicht ein Hundsfott oder Lump sein wolle. In den „Räubern“ und in „Kabale und Liebe“ zog Schiller gegen die verrottete Zeit vom Leder. Und es ist nicht zu verwundern, wenn Herzog Karl Eugen von Württemberg sich dieser Richtung gegenüber ähnlich äußerte wie später Wilhelm II.: „Die ganze Richtung paßt mir nicht!“ Schiller wurde 1782 vierzehn Tage in „Schutzhaft“ genommen; als der Fürst ihm wenig später überhaupt untersagte, weiterhin „Komödien“ zu schreiben, machte Schiller dieser Komödie ein Ende und floh aus Württemberg ins Ausland. Sein Gesinnungsgenosse, der Schwabe Christian Schubart (1739 bis 1791), mußte die Auflehnung gegen die Tyrannei mit einer zehnjährigen Gefangenschaft auf dem Hohenasperg büßen. Er schleuderte den Fürsten die Verse der „Fürstengruft“ wie Kiesel von der Schleuder entgegen.

Jakob Reinhold Lenz (aus Seßwegen, 1751–1792) schrieb sein Drama „Die Soldaten“, in dem er die Immoralität des Soldatenlebens attackierte. Sein Leben wie sein Dichten zerrann ihm schließlich wie Wasser zwischen den Händen. Die Erscheinung Goethes blendete ihn auf immer, so daß er die Welt der Erscheinungen nicht mehr zu sehen vermochte und einer utopischen Welt verfiel, die halbe Wahrheit und ganze Dichtung nicht mehr auseinanderzuhalten verstand. Wäre er nur der Lenz geblieben, der er war! Vielleicht, daß er zu einem fruchtbaren Sommer gereift wäre! Aber er wollte ein Goethe werden.

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Klabund: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde. Leipzig-Gaschwitz: Dürr & Weber, 1920, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Klabund_Deutsche_Literaturgeschichte_in_einer_Stunde_039.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)