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erdulden müssen, ich habe das in den irischen nicht gefunden: die Übersetzung eines alten, nicht volksmäßigen Gedichts von den drei Schwänen Lirs (K. v. K. 2, 275) macht keine Ausnahme. Eine entschiedene Übereinstimmung habe ich nur in dem vorhin genannten Darby Duly bemerkt, sonst kommt aber in einzelnen Zügen manches Ähnliche vor, wie ich in den Anmerkungen zu Crokers Werk nachgewiesen habe: deutlicher ist der gemeinschaftliche Glauben an die Elfen. Die von der Lady Guest aus einer alten Handschrift herausgegebenen gälischen Mabinogion (Märchen) übergehe ich hier: wie werthvoll sie für die Geschichte der Poesie sind, so enthalten sie doch keine aus dem Munde des Volks geschöpfte Sagen, sondern eigenthümlich kalte und unbelebte Darstellungen alter Rittergedichte, die uns wie trockene Auszüge aus bessern Werken gemahnen.

In Schottland, für sächsische Einwirkungen empfänglicher, läßt sich vielleicht eine so reiche Ernte nicht halten, doch das bekannt gewordene überzeugt schon daß derselbe Glaube an das gute Volk, wie man aus Scheu sie zu verletzen die Elfen nennt, Geltung hat und gleiche oder ähnliche Märchen umgehen.

In nahem Verwandtschaftsgrade mit den irischen stehen die Märchen der Armorikaner in der Bretagne, nur daß sie, nicht abgeschlossen wie jene, dem Einfluß benachbarter Länder zugänglich waren. In der Sammlung von Souvestre (S. 180) findet sich ein Beispiel (vgl. Croker 1, 23), wo Übereinstimmung und Abweichung das Gemeinsame wie das Unabhängige auf beiden Seiten darthun. Der Verkehr mit dem kleinen Volk macht auch hier den Hauptinhalt aus, doch nicht ausschließlich: das Märchen wie der alberne Peronnik die mächtigsten Zauberer überlistet und zu den höchsten Ehren gelangt, hat schon eine verschiedene Färbung, und wenn der Teufel dem Heiland begegnet und von ihm die Erlaubnis erhält auf einen Tag in der Gestalt eines Geistlichen sich den Menschen zu zeigen, so gehört das in einen ganz andern Kreis. Ich will noch anmerken, daß in einem armorikanischen Volkslied (Barzaz-Breiz von Villemarqué 1, 50) das Märchen von dem Wechselbalg in ziemlicher Übereinstimmung mit dem deutschen (Nr. 39, III) erzählt wird.

Ich springe über nach Osten zu den slavischen Völkern, bei denen der Zusammenhang mit dem deutschen Stamm entschieden hervor tritt. Die sechs slavonischen Märchen, die wir kennen, sind ihrem Inhalt nach nicht ausgezeichnet, wobei noch die gedehnte, wenig belebte

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 395. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_395.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)