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Zunge und Augen sich ersetzt: aber er ist des Lebens müde und will sterben. Da schickt er einen von den Seinigen zu dem kleinen klugen Volk, zu den Bibern, von denen einer bewogen wird sich sieben von seinen scharfen Zähnen ausreißen zu lassen. Der Alte erhält was er verlangt hat und befiehlt zwei von diesen Zähnen ihm in die Schläfe, einen in die Mitte der Stirne, einen in jede Seite, einen in die Höhle des Rückens, einen in die große Zehe des rechten Fußes zu schlagen. Als der letzte eingeschlagen ist, seufzt der Alte dreimal und stirbt.

Ich will noch die Erzählung des vierten unter den Indianern, die ausgiengen sich Weiber zu suchen, herausheben, weil sie Ähnlichkeit mit den irischen, auch einem deutschen (Nr. 182) Märchen von dem nächtlichen Elfentanz hat. Der Jüngling gelangt am sechsten Tage seiner Wanderung, als die Sonne eben untergeht, auf die Anhöhe eines Bergs, wo er sich nieder setzt. Als es Nacht geworden ist, dringt aus dem Thal ein lieblicher Gesang zu seinen Ohren, dazwischen Lachen und fröhliches Geschrei. Er steigt herab und nähert sich vorsichtig, da erblickt er im Mondschein eine Menge weiblicher Gestalten die auf einem grünen Plan tanzen. Einige sind klein, wie ein Kind von drei Monaten, andere in menschlicher Größe. Er setzt sich an einer Stelle nieder, wo er nicht kann bemerkt werden, und ergötzt sich an dem Anblick. Plötzlich springt eine von ihnen in muthwilliger Lust aus dem Ring und kommt gerade auf ihn zu. Als sie ihn entdeckt, schreit sie vor Schrecken laut auf und eilt zu den andern zurück. Sie gerathen bei der Nachricht daß ein Fremder in der Nähe sei, in höchsten Zorn, kommen und machen ihm Vorwürfe daß er sie in der Dunkelheit bei dem heiligen Tanz und dem Geisterlied der Nacht belauscht habe. Sie sagen ihm sie seien Berggeister die seit Jahrhunderten auf diesem grünen Platz in Sommernächten sich an Tanz und Gesang erfreuten und den Thau der Blumenkelche tränken. Ihn erwarte nichts anderes als der Tod. Er entschuldigt sich mit der Macht des Gesanges, der in der Ferne vernommen und der ihn herbei gezogen habe, und erbietet sich die größte und schönste von ihnen zur Frau zu nehmen. Ihr Zorn hat sich bei seiner Rede gemildert, und die Auserwählte entschließt sich, bevor der Mond den höchsten Stand am Himmel erreicht hat, die Berge zu verlassen und ihm als Frau in ein wärmeres Land zu folgen.

Das Märchen eines Apachen (mitgetheilt im Ausland 1856.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_382.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)