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3. Bärensohn. Ein Weib sammelt im Gebirg Färberröthe, verirrt sich und wird von einem Bären in seine Höhle geschleppt, wo sie einen Knaben mit ihm zeugt. Nach einem Jahr entkommt sie, aber das Kind bleibt bei dem Bären der es aufzieht. Als der Knabe einen Baum mit der Wurzel ausreißen und wie einen Stab gebrauchen kann, entläßt ihn der Bär in die Welt. Der Bärensohn (Medvedovitsch) kommt auf das Feld eines Paschas, wo mehr als tausend pflügen; er ißt dort die Speisen der tausend Ackersleute und gewinnt damit alle Ochsen samt den Pflügen. Er nimmt aber bloß was an diesen von Eisen ist, bindets mit jungen Birken zusammen, steckts an seinen Stab und trägts auf der Schulter fort. Ein Schmied soll ihm von dem Eisen einen Kolben zu seinem Handgriff machen. Der Bärensohn schläft während der Schmied arbeitet, dieser nimmt nur die eine Hälfte des Eisens, weil der Kolben doch groß genug wird, und stiehlt die andere. Als der Bärensohn erwacht ist, will er den Kolben versuchen, wirft ihn in die Höhe, duckt sich und läßt ihn auf den Rücken niederfallen. Da zerspringt der Kolben. Nun erschlägt er den Dieb mit dem Handgriff, sucht dann in der Werkstätte das versteckte Eisen, bindet den zerbrochenen Kolben dazu, lädt es auf die Schulter und geht zu einem zweiten Schmied. Dieser verfertigt mit vier Gesellen aus dem sämtlichen Eisen den Kolben. Bärensohn will ihn versuchen, wirft ihn in die Luft und duckt sich, so daß der Kolben aufs Rückkreuz fällt und ihm einen sonderbaren Laut auspreßt. Nun ist er zufrieden, geht weiter und findet einen Mann der mit einem Pfluge ackert, dem nur zwei Ochsen vorgespannt sind. Er wettet mit ihm er werde nicht satt von dem Mittagsessen werden, das dieser ihm überlassen will. Die Tochter des Ackermanns bringt es herbei; sie trägt an ihrem Gürtel einen Spinnrocken, um den so viele Wolle gewunden ist als in einem vollen Wollsacke ein Pferd auf einer Seite tragen kann. Bärensohn will das Essen gleich in den Mund schieben, aber der Wirth nöthigt ihn erst ein Kreuz zu machen und zu sprechen „im Namen Gottes des Vaters, des Sohns und des heiligen Geistes!“ Jetzt ist er, nachdem er bloß die Hälfte aufgezehrt hat, schon satt. Das Mädchen gefällt ihm, er will es heirathen. „Warum nicht“, antwortet der Vater, „aber ich habe es schon dem Großschnauzbart versprochen“. „O den will ich gleich erschlagen!“ Indem erhebt sich ein Rauschen, Großschnauzbarts linker Bart erscheint hinter einem Berg, dreihundert sechs und sechzig Vogelnester sind

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_339.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)