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Ich sattelte einen Hahn, setzte ihm nach und kam auf seine Spur. Das Meer hielt mich nicht auf, ich ritt auf einer Brücke darüber hin. Jenseits sah ich den Bienrich wie er in einen Pflug eingespannt war, womit einer ein Stück Land zum Hirsenfeld umackerte. Ich schrie „der Bienrich ist mein!“ der Mann gab mir ihn wieder und noch einen Sack, mit der eben geerndeten Hirse gefüllt, zum Ackerlohn. Ich hieng dem Bienrich den Sack um den Rücken, nahm den Sattel vom Hahn und schnallte ihn auf den Bienrich; den Hahn mußte ich an der Hand neben führen, weil er so müde war. Aber auf der Brücke über das Meer sprang an dem Sack ein Strick, und die Hirse rollte all heraus. An dem Ufer überfiel mich die Nacht, ich hieng den Hahn an den Bienrich und legte mich schlafen. Beim Erwachen sah ich daß Wölfe meinen Bienrich gefressen hatten und der Honig aus seinem Leib geflossen war. Der Honig stieg in den Thälern bis zu den Knöcheln, auf den Gebirgen bis über die Knie. Ich nahm eine Hacke und lief damit in den Wald, zwei Rehe sprangen da auf einem Bein herum. Ich zerschmetterte sie mit der Hacke, zog ihnen die Haut ab und machte zwei Schläuche davon, die ich mit dem Honig füllte und dem Hahn auflegte. So kam ich nach Haus, da war eben mein Vater geboren, und ich mußte nun zu Gott gehen, um Weihwasser zu holen. Wie sollte ich hinkommen? Ich dachte an meinen Hirsen, er war im Nassen aufgegangen und bis zum Himmel empor gewachsen. Ich stieg daran hinauf, als ich zu Gott kam, hatte er von meinem Hirsen gemäht und ein Brot daraus gebacken, das er in gekochte Milch bröselte und aß. Er gab mir Weihwasser, als ich aber zurück wollte, hatte ein gewaltiger Sturmwind meine Hirse weggeführt und ich konnte nicht herunter. Da ich aber lange Haare hatte (wenn ich lag, so reichten sie bis auf die Erde, wenn ich stand, bis an die Ohren), so riß ich sie aus, knüpfte eins ans andere fest und fieng an daran herabzusteigen. Als es finster ward, machte ich einen Knoten in die Haare und blieb so hängen. Es fror mich, ich nahm eine Nähnadel die ich zum Glück im Kleide hatte, spaltete sie und machte von den Stücken ein Feuer an, dabei legte ich mich schlafen, aber ein Funke kam mir an die Haare und brannte durch, so daß das Haar riß, ich auf die Erde fiel und bis an die Brust versank. Ich konnte mir nicht helfen, ich mußte nach Haus gehen und ein Grabscheit holen, damit grub ich mich aus der Erde los. Auf dem Heimwege kam ich über unser Feld, auf dem die Schnitter das Getreide

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_337.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)