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5. Printaniere. Größtentheils Erfindung; einige Züge sind echt, z. B. die Königstochter die zwanzig Jahre verborgen leben soll, schaut kurz vor dem Ziel durch eine Öffnung die so klein ist daß kaum eine Nadel hindurch kann und wird nun unglücklich. Schön ist auch die Art wie sich die Bäume in der Noth hilfreich beweisen.
6. Rosette. Im deutschen das Märchen von der weißen und schwarzen Braut (Nr. 135) doch sehr abweichend. Eigenthümlich aber schön ist der Zug daß die rechte Braut in ihrem Bett schlafend ins Meer geworfen wird, zum Glück aber nicht untergehen kann, weil es mit Wunderfedern gefüllt ist; doch bedeutender ist das deutsche gewis, wo der Geist als ein Vogel wieder aus dem Wasser aufsteigt. Zu vergleichen ist die angelsächsische Sage vom König Scyld Scafing (von sceaf, althochd. scoup Schaub), der auf einem Strohbund schlafend angeschwommen kommt; s. Göttinger gel. Anzeigen 1823 Nr. 1.
7. Der goldene Ast (Le rameau d’or). Wenig gutes und sonst viel Feen- und Schäferwesen nach der Mode jener Zeit.
8. Der Orangenbaum und die Biene (L’oranger et l’abeille). Der erste Theil, der Aufenthalt bei dem wilden Mann und die heimliche Liebschaft, ist modern ausgesponnen; von da an aber, wo die beiden zusammen entfliehen wollen, ist das Märchen echt und schön und offenbar mit dem deutschen vom liebsten Roland (Nr. 56) und den beiden Königskindern (Nr. 113) verwandt. Unter den Verwandelungen auf der Flucht ist die letzte eigenthümlich und passend, das Mädchen verwandelt den Liebsten in einen Orangenbaum, sich selbst in eine Biene, von welcher die nachsetzende Hexe so lange gestochen wird bis sie blutend fortgeht.
9. Die gute kleine Maus (La bonne petite souris). In der Art womit die Maus zuthätig ist und den bösen König quält, hat das sonst eigenthümliche Märchen doch Ähnlichkeit mit Mistkäfer, Maus und Heinchen im Pentamerone (3, 5).
10. Der Widder (Le mouton)[1]. Eigentlich liegt doch die Sage von Amor und Psyche zu Grund, wie sehr auch das Ganze sich geändert

  1. Dies und die zwei folgenden sind eingerückt in die Novelle von Ponce de Leon.
Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_304.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)