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133.
Die zertanzten Schuhe.

Aus dem Münsterland. Der Zug daß der Soldat einen Schwamm unter das Kinn bindet, in welchen er den Schlaftrunk laufen läßt, ist aus einer andern paderbörnischen Erzählung aufgenommen, die noch folgendes abweichende hat. Es sind nur drei Königstöchter, deren Schuhe jeden Morgen entzwei gefunden werden. Wer die Ursache herausbringt, soll die jüngste zur Gemahlin haben, wer es aber nicht vermag, das Leben verlieren. Zwölf sind schon aufgehängt, da meldet sich der Soldat als der dreizehnte. Er schleicht ihnen Nachts durch den heimlichen Gang nach (den unsichtbarmachenden Mantel hat er noch nicht). Die drei Fräulein gehen bis zu einem See, da stehen drei große Riesen, jeder nimmt eine von ihnen auf den Nacken und trägt sie durch das Wasser zu einem kupfernen Schloß. Der Soldat kann nicht nach, da erblickt er einen Löwen und einen Fuchs, die haben einen Mantel und ein paar Stiefeln, wenn man die anthut, so kommt man hin wo man sich hinwünscht. Die beiden streiten sich wer die Wunschdinge haben soll, da spricht er „geht dreißig Schritte weit, dann fangt an zu laufen, wer am ersten wieder hier ist, soll sie haben.“ Kaum sind sie fort, so zieht er die Stiefel an, hängt den Mantel um und wünscht sich zu den drei Königstöchtern. Er setzt sich unsichtbar zu der ältesten und ißt ihr alles vor dem Mund weg. Nach dem Essen fängt der Tanz an, und sie tanzen so lang bis ihre Schuhe Löcher haben, dann tragen die Riesen sie wieder über den See zurück. Er wünscht sich in sein Bett, so daß sie ihn wie in tiefem Schlafe finden. In der zweiten Nacht geht es ebenso, das Schloß ist silbern und der Soldat setzt sich zu der zweiten. In der dritten Nacht ist es golden, und er sitzt bei der dritten, der zugesagten Braut. Am dritten Tag entdeckt der Soldat dem König alles und erhält die jüngste Schwester und nach des Alten Tod das Reich. Eine dritte Erzählung aus Hessen hat viel Eigenthümliches. Eine Königstochter vertanzt alle Nacht zwölf Paar Schuhe, jeden Morgen muß ein Schuster kommen, und zwölf Paar neue anmessen, die Abends abgeliefert werden; dazu hält er zwölf Gesellen. Niemand weiß wie die Schuhe Nachts zerrissen werden. Als eines Abends der jüngste von den Gesellen die

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_215.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)