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sagen nein, die jüngste sagt „ja, ich will mit dem Raben gehen, wenn mich meine Kamerfrau begleiten darf“. Der Rabe willigt ein, nimmt die Königstochter unter den einen Flügel, die Kamerfrau unter den andern und bringt sie in ein prächtiges Schloß. In der Schlafkamer der Königstochter hängt ein Spiegel, darin kann sie alles sehen was in ihrem heimatlichen Schloß geschieht, nur darf sie nicht die Kamerfrau hineinblicken lassen. Die Königstochter trägt darum allzeit den Schlüssel bei sich, einmal aber läßt sie ihn stecken, die Kamerfrau geht hinein und schaut in den Spiegel. Der Rabe zerreißt sie dafür und sagt zur Königstochter „nun mußt du fort, mußt sieben Jahre dienen und für sieben Mägde Arbeit thun“. Und dann erzählt er ihr noch es würde eine alte Frau ihr begegnen, mit der müsse sie die Kleider tauschen und dann würde sie an ein Haus kommen, und eine Frau werde herausschauen und sie schelten, aber sie solle nicht darauf achten. Hierauf zog er sich eine Feder aus, gab sie ihr und sprach „wenn dir eine Arbeit zu sauer wird, so nimm sie hervor und sprich auf des Raben Geheiß soll es geschehen! und die Arbeit wird gethan sein“. Aber sie muß ihm auch Treue geloben. Nun geht sie fort, vertauscht ihre schönen Kleider mit den schlechten des alten Weibes und kommt vor das Haus, wo die böse Frau herausschaut. Die Königstochter bietet ihr Dienste an, jene antwortet „ich habe sieben Mägde gehabt, wie willst du mit deinen zarten Händen die Arbeit thun?“ „O doch, ich will es versuchen.“ Zuerst soll sie einen Stall rein machen, aber bald hat sie Blasen in den Händen, da nimmt sie die Feder und spricht „auf des Raben Geheiß soll der Stall so rein sein wie er es nie gewesen.“ Alsbald ist die Arbeit geschehen. So hat sie sieben Jahre da gedient, und was ihr zu schwer ward, mit Hilfe der Rabenfeder vollbracht. Diener und Knechte im Haus die wegen ihrer großen Schönheit sich zu ihr drängten und sie plagten, hat sie geneckt. Einmal spricht der Kutscher „darf ich heut Nacht zu dir kommen?“ „Ja“, antwortet sie; als sie ihn aber kommen hört, holt sie die Feder und spricht „auf des Raben Geheiß soll er auf den Hof gehen und eine Stunde lang sich aus und anziehen und dann kommen und für das Vergnügen danken“. Wie sie alle nach der Reihe zu Narren gehalten hat, thun sie sich zusammen und wollen sie mit Ruthen schlagen, aber sie nimmt die Feder und spricht „auf des Raben Geheiß sollen sie sich ausziehen und einander bis aufs Blut hauen und

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_154.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)