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nicht, sondern sagt nur ein Vater habe seine eigene Tochter zur Frau begehrt, und als diese sich geweigert, ihr Hände (und Brüste) abschneiden und ein weißes Hemd anthun lassen, darauf sie in die Welt fortgejagt. In der weitern Geschichte hingegen, die nach ihr fast ganz erzählt ist, übertrifft sie die andere an innerer Vollständigkeit, nur ist aus dieser beibehalten daß der Teufel die Briefe vertauscht, während hier die alte Königin es thut, von Anfang gegen ihre Schwiegertochter bös gesinnt. Dort sind noch eigenthümliche Züge, daß das Mädchen, eh sie der König heirathet, eine zeitlang die Hühner an seinem Hofe hütet, und daß hernach, als sie mit dem Kind auf dem Rücken in den wilden Wald verstoßen ist, ein alter Mann sie heißt die abgestumpften Arme dreimal um einen Baum schlingen; während sie (und die Brüste) durch Gottes Gnade hier von selbst wieder wachsen. Auch sagt er ihr daß sie das Haus, in welchem sie wohnen soll, nur dem öffnen dürfe, der dreimal um Gotteswillen darum bitte; was hernach der König, als er davor kommt, thun muß, eh er eingelassen wird. Eine dritte Erzählung aus dem Paderbörnischen stimmt im Ganzen mit der aus Zwehrn. Statt eines Engels leitet ein vom Himmel herabkommendes Lichtlein das arme Mädchen. Als es im Wald mit den abgehauenen Händen umhergeht, sieht es ein blindes Mäuschen, das den Kopf in ein vorbeirinnendes Wasser hält und dadurch wieder sehend wird; da hält das Mädchen unter Beten und Weinen die Arme ins Wasser, und es wachsen ihm die Hände wieder. Eine vierte Erzählung aus dem Meklenburgischen enthält eine andere Gestaltung der Sage. Ein Mann hat eine Tochter noch im Kindesalter, die betet immer Tag und Nacht. Da wird er bös und verbietet es ihr, aber sie betet immer fort, da schneidet er ihr endlich die Zunge aus, aber sie betet in Gedanken und schlägt das Kreuz dazu. Da wird der Mann noch zorniger und haut ihr die rechte Hand ab, aber sie schlägt mit der linken das Kreuz. Da haut er ihr den Arm bis an den Ellenbogen ab. Nun spricht ein Mann zu ihr „geh fort, sonst haut dir dein Vater auch noch den linken Arm ab“. Da war sie erst sieben Jahr alt, und gieng fort und immer fort, bis sie Abends vor ein großes Haus kam, vor dem stand ein Jäger. Sie gab ihm zu verstehen daß sie Hunger hätte und er sie aufnehmen möchte. Der Jäger hätte es gerne gethan, er wußte aber nicht wo er sie hinbringen sollte, endlich brachte er sie in den Hundestall, wo die zwei Lieblingshunde des

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_058.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)