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Mann willigt ein, findet das Geld, das verborgene aber ist das Kind im Mutterleib. Als es geboren ist, kommt die Jungfrau und will es abholen, doch, weil die Mutter so viel bittet, läßt sie es noch bis zum zwölften Jahr. Dann führt sie es fort zu einem schwarzen Schloß: alles ist prächtig darin, es darf an alle Orte hin, nur nicht in eine Kammer. Vier Jahre gehorcht das Mädchen, da kann es der Qual der Neugierde nicht länger widerstehen und guckt durch einen Ritz hinein. Es sieht vier schwarze Jungfrauen, die, in Bücherlesen vertieft, in dem Augenblick zu erschrecken scheinen, seine Pflegemutter aber kommt heraus und sagt „ich muß dich verstoßen, was willst du am liebsten verlieren?“ „Die Sprache“ antwortet das Mädchen. Sie schlägt ihm auf den Mund daß das Blut hervor quillt, und treibt es fort. Es muß unter einem Baum übernachten, da findet es am Morgen der Königssohn, führt es mit sich fort und vermählt sich, gegen seiner Mutter Willen, mit der stummen Schönheit. Als das erste Kind zur Welt kommt, nimmt es die böse Schwiegermutter, wirft es ins Wasser, bespritzt die kranke Königin mit Blut und gibt vor sie habe ihr eigen Kind gefressen. So geht es noch zweimal, da soll die Unschuldige, die sich nicht vertheidigen kann, verbrannt werden. Schon steht sie in dem Feuer, da kommt der schwarze Wagen, die Jungfrau tritt heraus, geht durch die Flammen, die sich gleich niederlegen und erlöschen, hin zu der Königin, schlägt ihr auf den Mund und gibt ihr damit die Sprache wieder. Die drei andern Jungfrauen bringen die drei Kinder, die sie aus dem Wasser gerettet haben. Der Verrath kommt an den Tag und die böse Schwiegermutter wird in ein Faß gethan, das mit Schlangen und giftigen Nattern ausgeschlagen ist, und wird einen Berg herabgerollt.

Verwandt ist die Tochter des Armen bei Meier Nr. 36, ein norwegisches Märchen bei Asbjörnsen (Nr. 8) und ein schwedisches vom Graumantel (s. unten): Ähnlichkeit damit hat die Legende von der heil. Ottilie, zumal wie sie Frau Naubert in ihren Volksmärchen (Theil 1) erzählt. Im Pentam. (1, 8) wird zur Strafe ein Ziegengesicht gegeben. Wendisch die Pathenschaft der hl. Maria bei Haupt und Schmaler Nr. 16. S. 179. Walachisch die eingemauerte Mutter bei Schott Nr. 2. Die gründliche Idee von vielen erlaubten aber einer verbotenen Thür kehrt vielmal und mit verschiedener Einleitung, wie in dem Märchen von Fitchers Vogel (Nr. 46) wieder.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_008.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)