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es bei seiner Rückkehr mit dem Leben büßen. Er gieng nun und holte die dritte, die aber war klug und listig. Als er ihr die Schlüssel und das Ei gegeben hatte und fortgereist war, verwahrte sie das Ei erst sorgfältig, und dann gieng sie in die verbotene Kammer. Ach, was erblickte sie! ihre beiden lieben Schwestern lagen da in dem Becken jämmerlich ermordet und zerhackt. Aber sie hub an und suchte ihre Glieder zusammen und legte sie zurecht, Kopf, Leib, Arm und Beine. Und als nichts mehr fehlte, da fiengen die Glieder an sich zu regen und schlossen sich an einander, und beide Mädchen öffneten die Augen und waren wieder lebendig. Da freuten sie sich, küßten und herzten einander. Der Mann forderte bei seiner Ankunft gleich Schlüssel und Ei, und als er keine Spur von Blut daran entdecken konnte, sprach er „du hast die Probe bestanden, du sollst meine Braut sein, und was du verlangst, das will ich thun.“ „Wohlan,“ antwortete sie, „du mußt vorher einen Korb voll Gold meinem Vater und meiner Mutter bringen und mußt es selbst auf deinem Rücken hintragen; derweil will ich die Hochzeit bestellen.“ Dann lief sie zu ihren Schwestern, die sie in einem Kämmerlein versteckt hatte und sagte „der Augenblick ist da, wo ich euch retten kann: der Bösewicht soll euch selbst forttragen; aber sobald ihr zu Hause seid, sendet mir Hilfe.“ Sie setzte beide in einen Korb und deckte sie mit Gold ganz zu, daß nichts von ihnen zu sehen war, dann rief sie den Hexenmeister herein und sprach „nun trag den Korb fort, aber daß du mir unterwegs nicht stehen bleibst und ruhest, ich schaue durch mein Fensterlein und habe acht.“

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1850). Göttingen 1850, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1850_I_265.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)