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Keller drei Kasten voll Gold. „Davon,“ sprach er, „ist ein Theil den Armen, der andere dem König, der dritte dein.“ Indem schlug es zwölfe, und der Geist verschwand, also daß der Junge im finstern stand. „Ich werde mir doch heraushelfen können“ sprach er, tappte herum, fand den Weg in die Kammer und schlief dort bei seinem Feuer ein. Am andern Morgen kam der König und sagte „nun wirst du gelernt haben was Gruseln ist?“ „Nein,“ antwortete er, „was ists nur? mein todter Vetter war da, und ein bärtiger Mann ist gekommen, der hat mir da unten viel Geld gezeigt, aber was Gruseln ist hat mir keiner gesagt.“ Da sprach der König „du hast das Schloß erlöst und sollst meine Tochter heirathen.“ „Das ist all recht gut,“ antwortete er, „aber ich weiß immer noch nicht was Gruseln ist.“

Da ward das Gold herauf gebracht und die Hochzeit gefeiert, aber der junge König, so lieb er seine Gemahlin hatte und so vergnügt er war, sagte doch immer „wenn mir nur gruselte, wenn mir nur gruselte.“ Das verdroß sie endlich. Ihr Kammermädchen sprach „ich will Hilfe schaffen, das Gruseln soll er schon lernen.“ Sie gieng hinaus zum Bach, der durch den Garten floß, und ließ sich einen ganzen Eimer voll Gründlinge holen. Nachts, als der junge König schlief, mußte seine Gemahlin ihm die Decke wegziehen und den Eimer voll kalt Wasser mit den Gründlingen über ihn herschütten, daß die kleinen Fische um ihn herum zappelten. Da wachte er auf und rief „ach was gruselt mir, was gruselt mir, liebe Frau! Ja, nun weiß ich was Gruseln ist.“

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1850). Göttingen: Dieterich, 1850, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1850_I_028.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)