und sagts meinen Brüdern, daß sie herab kommen, ich möchte sie
so gerne wieder sehen.“ Sie wollten auch nicht, bis endlich einer
von ihnen hingieng und es den Königskindern sagte, aber diese
glaubten es nicht und bekümmerten sich nicht darum. Da schrieb
er einen Brief an seine Mutter, und beschrieb ihr darin all sein
Elend, aber er sagte nicht daß er ihr Sohn wäre. Da ließ ihm
die Königin aus Mitleid einen Platz unter der Treppe anweisen
und ihm täglich durch zwei Diener Essen bringen. Aber der eine
war bös und sprach „was soll dem Bettler das gute Essen!“ behielts
für sich oder gabs den Hunden und brachte dem Schwachen,
Abgezehrten nur Wasser; doch der andere war ehrlich und brachte
ihm was er für ihn bekam. Es war wenig, doch konnte er davon
eine Zeit lang leben; dabei war er ganz geduldig, bis er immer
schwächer ward. Als aber seine Krankheit zunahm, da begehrte er
das heil. Abendmahl zu empfangen. Wie es nun unter der halben
Messe ist, fangen von selbst alle Glocken in der Stadt und in der
Gegend an zu läuten. Der Geistliche geht nach der Messe zu dem
armen Mann unter der Treppe, so liegt er da todt, in der einen
Hand eine Rose, in der andern eine Lilie, und neben ihm ein
Papier, darauf steht seine Geschichte aufgeschrieben.
Als er begraben war, wuchs auf der einen Seite des Grabs eine Rose, auf der andern eine Lilie heraus.
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1850). Göttingen 1850, Seite 551. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1850_II_551.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)