Himmel bedeckte, dennoch hätte ich nicht genug gehabt.“ Als er
diese Antwort vernahm, erschrack er heftig: die Knie fiengen an ihm
zu zittern und er mußte sich niedersetzen. Da klopfte es abermals
an, aber es klopfte an die Thüre seiner Stube. Es war sein
Nachbar, ein armer Mann, der ein Häufchen Kinder hatte, die er
nicht mehr sättigen konnte. „Ich weiß,“ dachte der Arme, „mein
Nachbar ist reich, aber er ist ebenso hart: ich glaube nicht daß er
mir hilft, aber meine Kinder schreien nach Brot, da will ich es
wagen.“ Er sprach zu dem Reichen „Ihr gebt nicht leicht etwas von
dem eurigen weg, aber ich stehe da wie einer, dem das Wasser
bis an den Kopf geht: meine Kinder hungern, leiht mit vier Malter
Korn.“ Der Reiche sah ihn lange an, da begann der erste
Sonnenstrahl der Milde einen Tropfen von dem Eis der Habsucht
abzuschmelzen. „Vier Malter will ich dir nicht leihen,“ antwortete
er, „sondern achte will ich dir schenken, aber eine Bedingung mußt
du erfüllen.“ „Was soll ich thun?“ sprach der Arme. „Wenn ich
todt bin, sollst du drei Nächte an meinem Grabe wachen.“ Dem
Bauer ward bei dem Antrag unheimlich zu Muth, doch in der
Noth, in der er sich befand, hätte er alles bewilligt: er sagte also
zu und trug das Korn heim.
Es war, als hätte der Reiche vorausgesehen was geschehen würde, nach drei Tagen fiel er plötzlich todt zur Erde; man wußte nicht recht wie es zugegangen war, aber niemand trauerte um ihn. Als er bestattet war, fiel dem Armen sein Versprechen ein: gerne wäre er davon entbunden gewesen, aber er dachte „er hat sich gegen dich doch mildthätig erwiesen, du hast mit seinem Korn deine
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1850). Göttingen 1850, Seite 516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1850_II_516.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)