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alte Haut geschlüpft, und verschwand wie ein Licht, das der Wind ausbläst.

Zitternd wie ein Espenlaub lief sie zu dem Haus zurück. Die Alte stand vor der Thüre, und das Mädchen wollte ihr erzählen was ihm begegnet war, aber die Alte lachte freundlich und sagte „ich weiß schon alles.“ Sie führte es in die Stube und zündete einen neuen Span an. Aber sie setzte sich nicht wieder zu dem Spinnrad, sondern sie holte einen Besen, und fieng an zu kehren und zu scheuern. „Es muß alles rein und sauber sein“ sagte sie zu dem Mädchen. „Aber, Mutter,“ sprach das Mädchen, „warum fangt ihr in so später Stunde die Arbeit an? was habt ihr vor?“ „Weißt du denn welche Stunde es ist?“ fragte die Alte. „Noch nicht Mitternacht,“ antwortete das Mädchen, „aber schon elf Uhr vorbei?“ „Denkst du nicht daran,“ fuhr die Alte fort, „daß du heute vor drei Jahren zu mir gekommen bist? Deine Zeit ist aus, wir können nicht länger beisammen bleiben.“ Das Mädchen erschrack und sagte „ach, liebe Mutter, wollt ihr mich verstoßen? wo soll ich hin? ich habe keine Freunde und keine Heimath, wohin ich mich wenden kann. Ich habe alles gethan was ihr verlangt habt, und ihr seid immer zufrieden mit mir gewesen: schickt mich nicht fort.“ Die Alte wollte dem Mädchen nicht sagen was ihm bevorstand. „Meines Bleibens ist nicht länger hier,“ sprach sie zu ihm, „wenn ich aber ausziehe, muß Haus und Stube sauber sein: darum halt mich nicht auf in meiner Arbeit. Deinetwegen sei ohne Sorgen, du sollst ein Dach finden, unter dem du wohnen kannst, und mit dem Lohn, den ich dir geben will, wirst du auch zufrieden

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1850). Göttingen 1850, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1850_II_428.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)