Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1850 II 201.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Doch da er alles still ertrug, mußten sie von ihm lassen, und als die Morgenröthe anbrach, erschien die Jungfrau und heilte ihn mit dem Lebenswasser. Und als sie weggieng, sah er mit Freuden daß sie schon weiß geworden war bis zu den Fingerspitzen. Nun hatte er nur noch eine Nacht auszuhalten, aber die war die schlimmste. Der Teufelsspuk kam wieder: „bist du noch da?“ schrien sie, „du sollst gepeinigt werden, daß dir der Athem stehen bleibt.“ Sie stachen und schlugen ihn, warfen ihn hin und her und zogen ihn an Armen und Beinen, als wollten sie ihn zerreißen, aber er duldete alles und gab keinen Laut von sich. Als die Teufel ihn verließen, lag er da ohnmächtig und regte sich nicht: er konnte auch nicht die Augen aufheben, um die Jungfrau zu sehen, die herein kam und ihn mit dem Wasser des Lebens benetzte und begoß. Aber auf einmal war er von allen Schmerzen befreit und fühlte sich frisch und gesund, als wär er aus einem Schlaf erwacht, und wie er die Augen aufschlug, so sah er die Jungfrau neben sich stehen, die war schneeweiß und schön, wie der helle Tag. „Steh auf,“ sprach sie, „und schwing dein Schwert dreimal über die Treppe, so ist alles erlöst.“ Und als er das gethan hatte, da war das ganze Schloß vom Zauber befreit, und die Jungfrau war eine reiche Königstochter. Die Diener kamen und sagten im großen Saale wäre die Tafel schon zubereitet und die Speisen aufgetragen. Da setzten sie sich nieder, aßen und tranken zusammen und Abends ward in großen Freuden die Hochzeit gefeiert.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1850). Göttingen 1850, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1850_II_201.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)