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vor seinem Tode versprochen, daß du nicht sehen sollst was in der Kammer steht: es könnte dir und mir zu großem Unglück ausschlagen.“ „Nein,“ anwortete der junge König, „mein Unglück ist, wann ich nicht hineinkomme, ich würde Tag und Nacht keine Ruhe haben, bis ichs mit meinen Augen gesehen hätte; nun gehe ich nicht von der Stelle, bis du aufgeschlossen hast.“

Da sah der getreue Johannes daß es nicht mehr zu ändern war, und suchte mit schwerem Herzen und vielem Seufzen aus dem großen Bund den Schlüssel heraus. Darnach öffnete er die Thür der Kammer, und trat zuerst hinein, und dachte der König sollte das Bildnis vor ihm nicht sehen: aber der König war zu neugierig, stellte sich auf die Fußspitzen, und sah ihm über die Schulter. Und als er das Bildnis der Jungfrau erblickte, das so herrlich war und von Gold glänzte, da fiel er alsbald ohnmächtig auf die Erde nieder. Der getreue Johannes hob ihn auf, und trug ihn in sein Bett, und dachte voll Sorgen „das Unglück ist geschehen, Herr Gott, was will daraus werden!“ dann stärkte er ihn mit Wein, bis er wieder zu sich selbst kam; das erste aber, das er sprach, war „ach! wer ist das schöne Bild?“ „Das ist die Königstochter vom goldnen Dache“ antwortete der treue Johannes. Da sprach der König weiter „meine Liebe zu ihr ist so groß, wenn alle Blätter an den Bäumen Zungen wären, sie könntens nicht aussagen; mein Leben setze ich daran, sie zu erlangen; du bist mein getreuster Johannes, du mußt mir beistehen.“

Der treue Diener sann lange nach wie es anzufangen wäre,

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1837). Göttingen: Dieterich, 1837, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1837_V1_037.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)