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Decke und Kissen aus dem Bett gezogen: das war ein Jammer! „Ach,“ rief sie, „der Wolf ist da gewesen und hat meine lieben Kinder gefressen, meine sieben Geiserchen sind todt!“ und fieng an zu weinen. Da sprang das jüngste aus der Wanduhr, und rief „eins lebt noch, liebe Mutter,“ und erzählte ihr wie das Unglück gekommen war.

Der Wolf aber, nachdem er die starke Mahlzeit gehalten, war satt und müde geworden, hatte sich auf eine grüne Wiese in den Sonnenschein gelegt, und war eingeschlafen. Die alte Geis aber, die klug und listig war, dachte hin und her wie sie ihre Kinder noch retten könnte. Endlich kam ihr ein guter Gedanke, und sie sagte zu dem jüngsten Geislein „nimm Zwirn Nadel und Scheere, und folge mir.“ Nun giengen sie beide hinaus, und fanden den Wolf, wie er in tiefem Schlafe auf der Wiese lag. „Da liegt das Ungethüm und schnarcht“ sagte die Mutter, und betrachtete ihn von allen Seiten, „zum Abendessen hat er meine sechs Kindlein hinuntergewürgt, und hat nicht weiter laufen können, und sich da hingestreckt! geschwind gieb mir die Scheere her, vielleicht sind sie noch am Leben, ich will ihm den Bauch aufschneiden.“ Damit ritzte sie dem Wolf den Bauch auf, und die sechs Geiserchen, die er in der Gier und Hast ganz verschluckt hatte, als sie Luft bekamen, sprangen heraus, hatten keinen Schaden genommen, und freuten sich daß sie aus dem dunkeln Gefängnis erlöst waren. Sie herzten ihre Mutter, aber die sprach „geht, und tragt große und schwere Wackersteine herbei.“ Damit mußten sie dem Wolf den Leib anfüllen,

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1837). Göttingen: Dieterich, 1837, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1837_V1_033.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)