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sich, so gut er konnte, mit der Schwangerschaft seiner Frau, und wie gefährlich es sey, ihr dann etwas abzuschlagen, endlich sprach die Fee: „ich will mich zufrieden geben und dir selbst gestatten Rapunzeln mitzunehmen, so viel du willst, wofern du mir das Kind geben wirst, womit deine Frau jetzo geht.“ In der Angst sagte der Mann alles zu, und als die Frau in Wochen kam, erschien die Fee sogleich, nannte das kleine Mädchen Rapunzel und nahm es mit sich fort.

Dieses Rapunzel wurde das schönste Kind unter der Sonne, wie es aber zwölf Jahr alt war, so schloß es die Fee in einen hohen hohen Thurm, der hatte weder Thür noch Treppe, nur bloß ganz oben war ein kleines Fensterchen. Wenn nun die Fee hinein wollte, so stand sie unten und rief:

„Rapunzel, Rapunzel!
laß mir dein Haar herunter.“

Rapunzel hatte aber prächtige Haare, fein wie gesponnen Gold, und wenn die Fee so rief, so band sie sie los, wickelte sie oben um einen Fensterhaken und dann fielen die Haare zwanzig Ellen tief hinunter und die Fee stieg daran hinauf.

Eines Tages kam nun ein junger Königssohn durch den Wald, wo der Thurm stand, sah das schöne Rapunzel oben am Fenster stehen und hörte sie mit so süßer Stimme singen,

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1812). Berlin 1812, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1812_I_040.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)