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saßen und es zwölf Uhr schlug, da sah der Fremde die Thür aufgehen, und es kam ein schneeweiß gekleidetes blasses Kindlein herein: es blickte sich nicht um, sprach auch nichts, sondern ging still in die Kammer neben an. Bald darauf kam es zurück, und ging eben so still wieder fort. Am zweiten und dritten Tag kam dasselbige Kind wieder; da fragte der Fremde den Vater, wem das schöne Kind gehöre, das alle Mittag in die Kammer gehe. Der Vater antwortete, er wisse nichts davon, er hab es auch noch nicht gesehen. Am andern Tage, als es zwölf Uhr schlug und es wieder hereintrat, so zeigte es der Fremde dem Vater, der sah aber nichts, und die Mutter und die Kinder alle sahen auch nichts. Der Fremde stand auf, ging zu der Thüre, öffnete sie ein wenig und guckte hinein. Da sah er das blasse Kindlein auf der Erde sitzen und emsig mit den Fingern in den Dielenritzen graben und wühlen, wie es aber den Fremden bemerkte, verschwand es. Darauf erzählte er, was er gesehen, und beschrieb das Kindlein genau, da erkannte es die Mutter und sagte: „ach! das ist mein liebes Kind, das vor vier Wochen gestorben ist.“ Da brachen sie die Dielen auf und fanden zwei Heller, die hatte das Kind einmal einem armen Mann geben sollen, es hatte aber gedacht, dafür kannst du dir einen Zwieback

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1812). Berlin 1812, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1812_I_022.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)