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war sie heute nicht mehr nur die besorgte Mutter, die sich selber ganz vergißt, etwas von der Gesellschaftsdame, ja fast etwas Kokettes war heute in ihrem Wesen. Unten am Tisch saß die Jugend und Leutnant Hilmar erzählte Geschichten, über die Wedig und Nini so laut lachten, daß Frau von Buttlär ein strenges „Aber Kinder!“ hinüberrufen mußte. Hilmar schlank und schmalschultrig im hellen Sommeranzug sah fast wie ein Knabe aus, allerdings wie ein auffallend hübscher Knabe. Durch das sehr dichte schwarze Haar bahnte sich der Leutnantsscheitel nur mühsam seinen Weg. Über der Stirn saß eine dicke schwarze Locke, wie neapolitanische Burschen sie zu tragen pflegen. Die regelmäßigen Züge des bräunlichen Gesichtes hatten das zu Scharfe, ein wenig Gespannte, wie es sich bei sehr alten Rassen zuweilen findet. Die dunkelen Augen waren sehr lebhaft, es ging beständig in ihnen etwas vor, es sprühte zuweilen in ihnen so, daß man deutlich goldene Pünktchen über den schwarzen Sammet der Iris hinfahren sah. „Keine Disziplin in den Augen,“ hatte der Onkel General von dem Hamm gesagt.

Als die Erdbeerbowle kam, wurde Baron Buttlär ganz der feine Genießer. Er zündete sich seine Havanna an, trank einen Schluck Bowle, warf

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/92&oldid=- (Version vom 1.8.2018)