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Tür immer offen steht, aber man braucht doch nicht beständig drauf hinzuweisen. Die Freiheit wird dann fast ebenso langweilig wie das ‚tenue ma chère‘ dort, du weißt.“

Hans schaute Doralice bestürzt an. Er wollte etwas sagen, verschluckte es jedoch. Er erhob sich und begann im Zimmer auf- und abzugehen, er ging schnell, stapfte stark mit seinen Filzschuhen auf den Boden. Doralice folgte ihm neugierig mit den Blicken. Jetzt war er zornig, jetzt würde er leidenschaftlich losbrechen, sie freute sich darauf, sie liebte es, wenn er die Worte so heiß hervorsprudelte und ein Gesicht machte wie ein zorniger Knabe. Das hatte ihr an ihm gefallen dort in der Welt der beständigen Selbstbeherrschung. Aber es wollte nicht kommen, immer noch ging er schnell und schweigend in dem engen Raum umher. Plötzlich blieb er vor Doralice stehen, kniete nieder mit beiden Knien hart auf den Boden schlagend und legte seinen Kopf auf Doralicens Knie und so begann er zu sprechen leise und klagend: „Wie kannst du das sagen, ich – ich – ich weise auf die Türe hin. Aber wenn du zu dieser Tür hinausgingst, dann wäre es aus, dann hätte nichts mehr einen Sinn, dann hätte ich keinen Sinn, dann hätte die ganze Welt keinen Sinn.“

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/37&oldid=- (Version vom 1.8.2018)