Seite:Keyserling Wellen.pdf/243

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

war es ihr, als griffe sie nach einer vertrauten warmen Hand und mußte es mit Entsetzen fühlen, daß diese Hand kalt und fremd geworden war.

Agnes trug das Essen auf, stand dabei und sah zu, wie Doralice aß, und beiden rannen dabei die Tränen über die Wangen. Spät am Abend kam noch der Geheimrat, dem sein Diener Klaus mit einer großen Stallaterne leuchtete. Knospelius saß Doralice gegenüber, er wußte nicht viel zu sagen. Von alten Ministern und türkischen Cafés durfte er hier nicht sprechen. Aber Doralice konnte dann klagen und weinen und das tat ihr wohl: „Auf morgen also, sagte er mir, als er fortging, alles wollte er mir dann sagen, alles, was er mir die ganze Zeit über verschwiegen hatte – und nun –“

„Mein Gott,“ sagte Knospelius und zog die Augenbrauen empor: „was wir auch sagen, wir nehmen unser Geheimnis ja doch mit.“

„Welches Geheimnis?“ fragte Doralice und ihre Augen wurden groß und rund vor Erstaunen.

Knospelius verzog ärgerlich sein Gesicht: „Nichts, nichts, das war nur so ein Ausspruch, und Sie wissen, wenn man nichts rechtes zu sagen weiß, so tut man einen Ausspruch. Übrigens,“ fuhr er zögernd fort, er war es nicht gewohnt

Empfohlene Zitierweise:
Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/243&oldid=- (Version vom 1.8.2018)