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erscholl, sah sie deutlich ein kleines Ungetüm mit gelbem Gesicht voller Sommersprossen, mit rotem Haar, in grauen, zu weiten Kleidern, das die Hände in den Hosentaschen unendlich frech durch die dunkle Luft hinschlenderte. Die lauten Klagelaute gehörten einer großen Frau mit lang niederhängendem grauen Haar. Die Augen waren hellgelb wie Meersand, den Mund öffnete sie weit – ein großes schwarzes Loch in dem weißen Gesicht. Und mitten in allem diesem Spuk und Schrecken, in dieser Finsternis und diesem Geheul war Hans, dort mußten ihr Denken und ihr Warten ihn suchen. Doralice fuhr empor, als wollte sie eine unerträgliche Last von sich abschütteln. Auch Agnes wurde unruhig, sie begann auf dem Spirituskocher Tee zu kochen. Das interessierte beide. Und das Teetrinken dann, das Anzünden einer Zigarette gaben einen kleinen flüchtigen Augenblick des Vergessens und sehr durchdringenden Behagens. Aber die schwere Arbeit des Wartens und Bangens mußte gleich wieder aufgenommen werden. Wenn Doralicens Gedanken, der Spannung müde, kraftlos wurden, waren sofort Bilder da, farbige, belebte Traumbilder. Sie sah den Strand gelb von Sonnenschein, die Generalin im weißen Piquékleide kämpfte mit dem Winde,

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/236&oldid=- (Version vom 1.8.2018)