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„Die Mutter Wardein ist bequemer, die sitzt da wie eine aus Holz geschnittene heilige Anna.“

Hans, von seinen Gedanken hingenommen, fuhr eifrig fort: „Überhaupt eine verteufelte Geschichte mit diesem Meere, es läßt sich nicht fassen, ich kriege die Logik seiner Linien und Bewegungen nicht heraus, sein Durchschnittsgesicht, wissen Sie, denn bei dem Porträt muß ich mir in dem Modell ein Durchschnittsgesicht konstruieren, das die Möglichkeit aller Augenblicksgesichter in sich schließt. Nun, bei dem Meere bringe ich es nicht fertig, und ich studiere es doch in- und auswendig. Ich schwimme Stunden in ihm herum, ich fahre auf ihm bei Tag und bei Nacht, ich beschleiche es zu allen Tageszeiten. Wahrhaftig, es wird für mich zu einer Art Besessenheit.“

„So, so,“ murmelte Knospelius und sah Hans schlau von der Seite an, „das also ist jetzt Ihre Besessenheit. Na ja, es ist ganz bequem, eine Besessenheit zu haben. Man braucht da nicht nachzudenken, was man tun soll, man muß etwas tun, ob man will oder nicht. Das ist so wie bei einer Staatsanstellung, man muß in das Bureau, ob man will oder nicht. Ich habe meiner Besessenheit jetzt den Abschied gegeben.“

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/213&oldid=- (Version vom 1.8.2018)