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Stimmen laut. Agnes sprach mit tiefer Stimme deutlich und langsam, wie sie am Sonntagmorgen sich selbst ihre Bibel vorzulesen pflegte: „Die Gnädige sagt, sie will den Herrn nicht sehen. Der Herr soll nur abreisen. Sie sagt, sie will ihn nicht sehen, nie. So sagte sie.“

Hilmars ein wenig schnarrende Stimme ließ sich vernehmen und Agnes begann wieder: „Die Gnädige sagt, sie will den Herrn nicht sehen, der Herr soll nur abreisen. Sie sagt, sie will ihn nicht sehen, nie, so sagte sie.“

Einen Augenblick wurde es ganz still, dann klirrten Sporen, eine Tür ward zugeschlagen. Doralice trat an das Fenster, sie sah Hilmar die Düne hinabsteigen. Er war in Uniform. Anfangs ging er langsam und zögernd, den Kopf ein wenig gebeugt. Unten am Strande jedoch kam in seinen Gang wieder das hübsche, leichtsinnige Sichwiegen. Die Sonne erweckte in den Sporen, in den Knöpfen und Schnüren der Uniform helle Funken, überstreute die ganze Gestalt mit kleinen, unruhigen Lichtem: „O nein!“ dachte Doralice, „es ergreift mich nicht, das zu sehen.“ Allein eine ferne Kindererinnerung kam, Doralice konnte nichts dafür, die Erinnerung kam, wie Träume ohne unser Zutun kommen und uns rühren. Ein

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/207&oldid=- (Version vom 1.8.2018)