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„So,“ sagte die Generalin drinnen zu Fräulein Bork, „das war ein angenehmer stiller Augenblick. Ich höre, meine Tochter kommt die Treppe herunter, nun kann es wieder losgehen.“

Frau von Buttlär hatte ein wenig geschlafen, trug ihren Morgenrock und hüllte sich fröstelnd in ein wollenes Tuch. Sie mochte früher das hübsche überzarte Gesicht ihrer Töchter gehabt haben, jetzt waren die Wangen eingefallen und die Haut leicht vergilbt. Aufgebraucht von Mutterschaft und Hausfrauentum war sie sich ihres Rechtes bewußt, kränklich zu sein und nicht mehr viel auf ihr Äußeres zu geben.

Man setzte sich auf der Veranda zur Abendmahlzeit nieder an den Tisch, über den das rote Abendlicht hinflutete und der Seewind an dem Tischtuch und den Servietten zerrte. Das machte die Gesellschaft schweigsam, so das Meer vor sich war es, als sei man nicht allein, nicht unter sich.

„Ich habe mir das Meer größer gedacht,“ erklärte Wedig endlich.

„Natürlich, mein Sohn,“ meinte die Generalin. „Du willst wohl für dich ein Extra-Meer.“

Frau von Buttlär lächelte gerührt und sagte leise: „Er hat so viel Phantasie“. Fräulein Bork

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)