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Wie konnte denn aber an solchen Männern eine solche That vollbracht werden? Bei allen Völkern der Erde ist ja der Vertreter des Volkes eine unverletzliche Person! Wie konnte in unserem theueren Vaterlande, in unserem edelmüthigen Deutschland, an einem deutschen Volksvertreter ein so übergrausenhafter Mord begangen werden? Welche Unthat haben diese Männer noch zuletzt begangen, daß man sie so schmachvoll hingeschlachtet, hingemetzelt hat? Haben sie das Wohl des Volkes verrathen, haben sie den Volksvertretern Hohn gesprochen, haben sie sich den Beschlüssen der Nationalversammlung widersetzt, sind sie von der deutschen Nationalversammlung für vogelfrei erklärt worden? Nein, meine christlichen Brüder, und abermals nein, nichts von dem Allen! Sie sind hingeschieden, hochgeachtet von dem Volke, das sie gewählt, hochgeachtet und geliebt von der Versammlung der deutschen Volksvertreter; und ihr ganzes Verbrechen hat nur darin bestanden, daß sie Männer waren, daß sie nach freier, unabhängiger Ueberzeugung geredet und gestimmt, daß sie in Uebereinstimmung mit der Mehrzahl der deutschen Nationalversammlung gehandelt haben.

     Ja, wir können uns den ganzen Umfang der Verruchtheit jener That nicht verhehlen, und wenn Männer aus anderen Ländern hier zu uns hintreten und fragen, wen wir denn hier auf deutscher Erde eingesenkt haben, so müssen wir mit schamrothem Antlitze und thränendem Auge antworten: Hier ruhen zwei der edelsten Männer, der edelsten Söhne des deutschen Vaterlandes, die von deutscher Hand waffenlos und hülflos meuchlings ermordet

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Emanuel von Ketteler: Leichenrede, gesprochen am Grabe der am 18. September gewaltsam Ermordeten und der im Kampfe gegen die Aufständischen Gefallenen. , Frankfurt am Main 1848, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ketteler_Leichenrede_1848.pdf/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)