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11. [16.]

Es genügt aber nicht, dass das äussere Ende eines einzigen um den Pfahl gebundenen Taues herumgeführt wird: denn es würde der Strick zur Erde [s. N. [212]] fallen und in den Höhlen und Felsen sowie anderen mehr, was die Oberfläche der Erde rauh macht, hängen bleiben. Es ist also nöthig, dass einzelne Punkte des beabsichtigten Umkreises, die unter sich nicht weiter von einander entfernt sind, als dass man von einem zum andern sehen kann, durch einzelne Stricke, um gleiche Pfähle geschlungen, angeordnet werden. Und deshalb muss der Baumeister von dem Pfahl nach dem Umkreis mit einem beladenen Karren kommen, damit die Länge des Taues für 5 Meilen ausreicht.

Man nehme diese Deduction für nichts weiter als eine Probe keplerscher Phantasie. Man sieht aber auch hieran, wie ihm seine Einbildungskraft Möglichkeiten eingiebt, auf welche Weise eine gegebene Erscheinung in der Natur erklärt werden könnte, wie er bemüht ist, Alles naturgemäss zu lösen und wie er vor keinem Hinderniss zurückschreckt, vielmehr ihm sein erfinderischer Geist sofort Mittel und Wege eröffnet, sie zu überwinden; s. auch Fussnote zu XXVIII.

12. [17.]

Aus XXIX haben wir gesehen, dass die Individuen des Mondgeschlechts an Masse des Körpers nicht gleich zu schätzen seien den Bergen; aus XXXIII aber, dass sie sehr zahlreich sind. Wenn also der Augenschein von den ungeheuren Bauten der Mondgeschöpfe zeugt, so folgt, dass durch die Anzahl das geleistet ist, wozu die Masse der Körper nicht ausreichte. Als ähnliche Beispiele mögen gelten: der babylonische Thurm, die Pyramiden Aegyptens, der auf ungeheuren Strecken mit Steinen gepflasterte Damm in Peru, die Mauer, die die Sinesen gegen die Tartaren schützt [Chinesische Mauer].

Bezüglich der Sinesen s. Fussnote zu C. 116.

13. [18.]

In jener grossen Höhle, welche einen Durchmesser von 10 deutschen Meilen hat, wird ein gutes Theil der Fläche eingenommen von einer Kluft, die sich zwischen dem Rand und einem im Innern sich erhebenden Berg befindet [Taf. II, d] und wer nicht weniger sagt, als eine deutsche Meile, der sagt nicht mehr, als der Augenschein zeugt. Hieraus erkenne die Masse ihrer Körper [nämlich der der Mondbewohner], denn obgleich sie nicht ihren Bergen zu vergleichen sind, so ist sie dennoch der unserer Körper bei weitem überlegen, und zwar nach den

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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_201.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)