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XXX. Wenn man nun die Höhlen aufmerksamer betrachtet, so zwar, indem man in der Vorstellung eine gerade Linie von der Sonne durch den Mittelpunkt der Höhle legt, so gewahrt man 6 Abtheilungen: 3 helle und ebensoviel schattige, gleichsam als ob eine Höhle in der Höhle läge[UE 1]; denn der schattige Theil der grösseren ist mit der Wölbung gegen die Sonne gekrümmt, der leuchtende aber kehrt gewissermassen die Hörner gegen die Sonne und den schattigen Theil, während er die Krümmung von der Sonne abdreht. Dieselbe Erscheinung tritt im Innersten der inneren kleinen Höhle zu Tage, aber der äussere Rand ist bekleidet gegen die Sohne mit einem, dieser zugekehrten Lichtbündel, auf der entgegengesetzten Seite mit Schattenmond, dessen Hörner gegen die Sonne gekehrt sind. Und auch um jenen äussersten Kreis kann man eine gewisse Verschiedenheit bemerken. Denn bei einigen Höhlen ist dieser Kreis nicht deutlicher und heller, als die äussere Umgebung [s. Taf. II, a], welche, wie gesagt, zu den Mondflecken gehört, und die gekrümmte dunkle Fläche fängt unmittelbar auf diesem Flecken an, ebenso die helle auf der entgegengesetzten Seite, die, ohne stark hervorzutreten, in der fleckigen Gegend verläuft. Bei anderen wird dagegen der äussere Kreis gegen die Sonne von einer sehr hellen dünnen Linie begrenzt, auf der der Sonne entgegengesetzten durch eine dünne Schattenlinie, die den Kreis von der übrigen Umgebung deutlich unterscheidet [s. Taf. II, d].

XXXI. Hierdurch wird bewiesen, dass aus der Mitte der Höhle ein Hügel hervorragt, der wiederum in der Mitte, gleichsam im Nabel, zu einer Höhlung vertieft ist, wie ich auch schon im Jahre 1625 in ‚Hyperaspiste Tychonis‘, f. 124[UE 2] gezeigt habe, und dass ein Theil der Höhlen direkt in der Ebene vertieft ist, ein ander Theil durch einen aufgeworfenen Wall gegen die äussere Umgebung geschützt wird. s. Taf. II, d.

XXXII. [Axiom.] Die Vielheit der einzelnen Kunstwerke deutet auch auf eine Vielheit ihres Gebrauchs, sei es nun, dass viele sie gebrauchen, oder dass ein und derselbe sie zu verschiedenen Zeiten gebraucht, wobei jedoch die Vernunft eine der Verschiedenheit der Zeiten entsprechende Verschiedenheit der Werke empfiehlt. So ist die Ordnung ein Beweis der Einen Vernunft, die jene alle zugleich umfasst.

Anmerkungen des Übersetzers

  1. s. Taf. II, d. Vermuthlich hat Kepler hier u. A. das Ringgebirge Gassendi, im südöstlichen Theil der Mondscheibe gelegen, im Auge gehabt.
  2. ‚Tychonis Brahei Dani Hyperaspistes‘ etc. Frankfurt a. M. 1625. K. O. O. VII, S. 235, ad Cap. 32. Eine Beantwortung der Einwendungen Claramontius gegen die Behauptung Tychos, die Kometen befänden sich über dem Monde.
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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_195.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)