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durch welche auch die Hörner im Bilde hinreichend scharf wiedergegeben wären? Ich kann ihm so leicht nicht glauben, denn es besteht ein zu grosser Unterschied zwischen dem Durchmesser-Verhältniss, welches jener Verfasser nach der Beobachtung einer Sonnenfinsterniss am 212 October 1605 anführt und demjenigen, welches ich bei ähnlichen Beobachtungen erhielt. Auch seien die Beobachter darauf aufmerksam gemacht, dass die Tafel, welche das Bild einer Sonnenfinsterniss auffangen soll, gegen jede Schwankung unbedingt gesichert sein und stets dem Loche in demselben Abstand gegen über gehalten werden muss. Denn sobald sie abgewendet wird, verzerrt sich der Umriss des Bildes und geht von der Kreisform in diejenige der Ellipse über. Jener Disputant wird hiernach ermessen, inwieweit er gegen diese Fehler Vorsichtsmassregeln getroffen hat.

Was nun die Sache selbst anbelangt, welche Mästlin als Grund für die Abnahme des Durchmessers angeführt hat, denn so ohne Weiteres kann ich dieselbe nicht wegleugnen, so muss erklärt werden, warum das nicht ein Grund für jene Verringerung sein kann. Ohne Zweifel, weil auch die hellsten Gegenstände Schatten werfen, wenn sie in die Sonne gestellt werden. Ich habe in der ‚Optik‘ dies durch Versuche mit einer mit Wasser gefüllten Glasblase bewiesen: sie lässt die Sonnenstrahlen durch und concentrirt sie so sehr, dass sie Kleider ansengen und Pulver entzünden, aber nach dem Hindurchlassen lenkt sie sie nach einer anderen Richtung ab; die Ränder der Blase aber werfen trotzdem ihren Schatten in gerader Richtung von der Sonne her. Wenn also das Sonnenlicht etwas zu durchdringen vermöchte, ohne Schatten zu erzeugen, wie sollte da wohl, wie wir oft beobachten, eine Verfinsterung des Mondes geschehen können, wenn beide Himmelskörper oberhalb des Horizonts stehen? Das Sonnenlicht ist hier durch unsere Luft hindurchgedrungen und gelangt auch bis zum Monde, wenn die Erde nicht im Wege steht, da ja beide oberhalb sind. Was sollte also anders die Ursache dafür sein, dass Schatten den Mond einhüllen, als unsere Luft, welche die Sonnenstrahlen am directen Durchgang hindern?[UE 1] Also ich sage und wiederhole es: die durch die Luft hindurch dringenden und in ihr gebrochenen Sonnenstrahlen schaffen nicht den Schatten der Erdatmosphäre aus der Welt und werden deshalb auch nie den Schatten der Mondluft aufheben. Soviel mag also über diesen ersten Beweis für die Atmosphäre des Mondes gesagt sein.

Anmerkungen des Übersetzers

  1. s. auch Keplers Paralipomena ad Vitellionem, Pars optica, Cap. VII. K. O. O. II, S. 297 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_175.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)