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ist – in dieser Beziehung mochte er wohl der Ansicht jedes tiefer denkenden Menschen sein, dass man von der Weisheit des Schöpfers erwarten kann, dass alle seine Werke die möglichst höchsten Zwecke erfüllen – sondern dass er damit der Wissbegierde der grossen Menge eine wohl verzeihliche Concession macht. Diese begnügte sich von jeher nicht mit einer allgemeinen Antwort, mochte vielmehr eine möglichst specielle Auskunft über den Organismus, die Lebensweise, die physischen und geistigen Fähigkeiten der Mondbewohner haben.

In wieweit die Darstellungen Keplers beabsichtigte Fabeleien, in wieweit überirdische Speculationen, im guten Sinne des Wortes, und das Produkt kühner Analogien, in wieweit endlich wirklich persönliche Ueberzeugung enthalten, ist heute schwer zu entscheiden. Einen bedeutsamen Faktor hatte er für sich, der auch heute noch bei der Entscheidung über die Bewohnbarkeit eines fremden Weltkörpers nach menschlichem Fassungsvermögen massgebend sein würde: die Gewissheit des Vorhandenseins von Luft und Wasser. Wie wir wissen und aus N. [223] nebst Commentar noch näher begründet finden werden, nahm Kepler diese Stoffe als auf dem Monde vorhanden an, und es konnte sich für ihn nur noch darum handeln, seine Mond-Lebewesen den übrigen Verhältnissen anzupassen. Wie er in dieser Beziehung Alles ‚nach üblichem Brauch‘ bestimmt hat und mit einer seiner Zeit oft weit vorahnenden Einsicht, – man beachte besonders die Burgen und Festungen bauenden Bewohner, wie er sie im Appendix beschreibt – ist immerhin anzuerkennen, so phantastisch auch auf den ersten Blick seine Aeusserungen zuweilen erscheinen mögen.

Sollten wir heute die Frage von rein astronomischem Standpunkt aus beantworten, so würden wir, wenn wir auch kaum nach anderen Principien, als Kepler es gethan, verfahren könnten, freilich zu einem ganz anderen Schluss gelangen. Luft und Wasser sind auf unserm Satelliten bestimmt so gut wie nicht vorhanden, verbesserte Beobachtungsinstrumente haben uns gezeigt, dass die Erscheinungen auf dem Monde doch wesentlich verschieden sind von denen, wie sie unsere Vorfahren sahen und beobachteten, die Jahres- und Tageszeiten, sowie die klimatischen Verhältnisse sind von den unsrigen ganz abweichend und endlich ist die Gravitation [C. 153] nur 1/6 so gross wie auf der Erde. ‚Und diese Differenz der Schwerkraft ist in ihrer Wirkung nicht nur darauf beschränkt, dass auf der Erde ein Körper 4,9 m, auf dem Monde 0,8 m freifallend in der ersten Sekunde zurücklegt, sondern sie afficirt jeden Organismus in Hinsicht der Fähigkeit sich zu bewegen, sich durch Wachsthum zu vergrössern oder irgend welche Kräfte in Anwendung zu bringen‘.[UE 1]

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Jul. Schmidt, ‚Der Mond‘. S. 113 f.

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_171.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)