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Wissenschaft es bedingte, wohl kaum ein Moment anzuführen vergessen hat, welches zur Unterscheidung der beiden Hemisphären des Mondes dienen konnte.

Hätte er, wie wir jetzt, gewusst, dass auf dem Monde weder Luft noch Wasser ist, so würde er sicherlich nicht vergessen haben, die Zustände zu prüfen, welche die privolvane Mondhemisphäre vor allen zu dem idealsten Standpunkt einer Sternwarte machen.

Man denke sich einen Ort, den die Lichtstrahlen der von einem tiefschwarzen Himmel sich abhebenden Sterne, ungeschwächt und unbeirrt durch atmosphärische und andere Vorgänge, erreichen; die Nacht ist vollkommen dunkel, kein Mond wirkt störend auf die Beobachtungen ein, keine Stösse des Bodens, keine Schwingungen der Luft durch Winde hindern die exacte Einstellung der Instrumente, kein Geräusch stört die Berechnungen. Schon mit blossem Auge wird man unzählige Sterne sehen, und Objecte, die auf der Erde erst durch das Fernrohr sich voll entfalten, wie die Milchstrasse, die Nebelflecke, Nebelwolken u. s. w. müssen dort in der That schon dem unbewaffneten Auge eine überraschende Pracht zeigen. Selbst die Sonne wird mit der Corona und den Protuberanzen umgeben sein, und dicht neben der grossen Helle stehen klar leuchtend die kleinsten Sterne. Aber nicht allein, dass alle diese Objecte mit grösster Deutlichkeit hervortreten, es leuchten die Sterne auch in ihren natürlichen Farben, was bei uns nur in einigen sehr hervorstechenden Nuancen der Fall ist. Eine Dämmerung findet nicht statt, sondern plötzlich und unvermittelt vollzieht sich der Wechsel von Tag und Nacht. Und noch mehr: alle diese Wunder wird man nicht allein in der Nacht, sondern auch bei Tage, dort, wo man nicht gerade im hellen Licht der Sonne steht, sehen können, denn da kein Medium vorhanden ist, um die Lichtstrahlen zu zerstreuen, so wird dicht neben dem blendendsten Lichte der dunkelste Schatten herrschen.

Aus letzterem können wir auch den sicheren Schluss ziehen, dass wir doch eine Erscheinung, die zu den schönsten gehört, welche die Beobachtung des gestirnten Himmels bietet, vor den Mondbewohnern voraus haben, nämlich die des Funkelns der Fixsterne. Wohl jedem Beobachter der Sterne ist sie schon aufgefallen: jenes blitzähnliche Aufleuchten und beständige Aendern der lebhaften Farben, bald weiss, bald roth, bald grün. Wir beobachten sie besonders intensiv in heiteren, kalten Winternächten, ja bei grossen Fixsternen, wie z. B. bei Sirius, ist das Scintilliren zuweilen so auffallend, dass selbst sonst sehr prosaische Menschen, denen der gestirnte Himmel eben nur der Himmel ist, mir ganz interessirt davon, wie von einer Explosion auf dem Sterne erzählten.

Die Ursache dieses Funkelns ist in Interferenzerscheinungen des

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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_156.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)