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gelegene Theil des atlantischen Oceans zu sein. Ebenso ist auf der Karte der deucaledonische Ocean nicht verzeichnet. Deukalion war der Sohn des Prometheus und ward nach der grossen Fluth der Stammvater des Menschengeschlechts, insbesondere durch seinen Sohn Hellen, Stammvater der Griechen. Kepler meint hier also vermuthlich das griechische, das ägēische und, im weiteren Sinne, das mittelländische Meer. Die Meerenge von Anian ist die Behringsstrasse, die Asien von Amerika trennt.


115.


Dies ist in der That ein sehr interessantes Bild, welches sich den Seleniten in ziemlich scharfen Umrissen hell auf dunklem Grunde darbietet. Man erkennt es auf jeder Karte besonders deutlich, wenn man den entsprechenden Länderkomplex in einiger Entfernung betrachtet.

Die Auffassung Keplers [Europa giebt Afrika einen Kuss] war zu seiner Zeit bereits verbreitet; denn wir lesen bei Peschel-Ruge[UE 1]: ‚Ein Spielwerk, welches der Baseler Buchdrucker Wechel für Kaiser Karl V. anfertigte, nämlich die Darstellung Europas unter dem Bilde einer königlichen Jungfrau, zeigt uns, dass man wenigstens ein Auge hatte für die bedeutungsvolle Gliederung unseres Festlandes‘. Und Kepler, der Phantasievolle, musste solchen morphologischen Blick natürlich in noch höherem Grade haben.

Der bis an die Achseln abgeschnittene Kopf ist ganz Afrika: der behaarte Hinterkopf der Sudan, die Stirne Tigris, die hervorspringende Nase Maghrib el Aksa, der Mund der Hafen von Mlila und das Kinn Algerien, welches in Tunesien einen energischen Abschluss findet. Der Hals wird durch Tripolis gebildet und selbst der verrätherische Adamsapfel fehlt in Barka nicht.

Fast noch eklatanter ist das Mädchen, welches der grösste Theil von Europa hergiebt; besonders der durch Spanien gebildete Kopf, die deutlich ausgeprägte Nase [Sevilla], der geöffnete Mund [bei Malaga], das durch Murcia bezeichnete Kinn, ferner die durch die östliche und westliche Küste begrenzte klassische Haarfrisur und der durch einen Theil des südlichen Frankreichs vervollständigte Hals – das alles ist unverkennbar. Die Kosten des Gewandes bestreiten Russland, die Gebiete um das schwarze Meer und Kleinasien[UE 2], die beiden Arme werden durch die britischen

Anmerkungen des Übersetzers

  1. ‚Geschichte der Erdkunde‘, München 1877, S. 450.
  2. Kepler giebt hier noch die alten Bezeichnungen: Sarmatien, Thrakien, Moscovia, Tartarei. N. [160]. Sarmatien bezieht sich auf das heutige Polen und Westrussland, die sogn. sarmatische Tiefebene, welche das Nomadenvolk der Sarmaten bewohnte; Thrakien ist das heutige Rumelien; Moscovia ist das Gebiet um Moskau, also Innerrussland.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_142.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)