Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
57. [93.]


Die Ungleichheit der Tage und Nächte, ausser an den Tagen der Aequinoktien, folgt bei uns daraus, dass die Pole der Welt weit von den Polen der Ekliptik entfernt liegen. Diese unsere Weltpole haben die Mondbewohner nicht, dagegen haben sie andere Weltpole, welche den Polen der Ekliptik sehr nahe sind, jedenfalls ist die Grösse in den Abständen mit der unseren nicht zu vergleichen und demgemäss sicher nicht so fühlbar. Deshalb haben sie auch fast immer auf dem ganzen Monde Tag- und Nachtgleiche, wie auch bei uns an den Tagen der Aequinoktien auf dem ganzen Erdkreis der Tag gleich der Nacht ist.

Aus C. 21 haben wir ersehen, dass die Ungleichheit der Tage und Nächte bei uns eine Wirkung der Schiefe der Ekliptik, d. h. des Umstandes ist, dass die Ebene des Aequators nicht mit der Ebene der Ekliptik zusammenfällt, sondern einen Winkel mit ihr bildet. Auf dem Monde nun fallen diese beiden Ebenen nahezu zusammen, es herrscht dort also stets ein ähnlicher Zustand, wie bei uns zur Zeit der Aequinoktien, wenn wir uns, was 2mal im Jahre vorkommt, in den Schnittpunkten des Himmelsaequators und der Ekliptik, dem Frühlingspunkt und dem Herbstpunkt befinden. Dann ist in der That auch bei uns auf der ganzen Erde Tag und Nacht gleich.

Die Ebene des Erdaequators – Himmelsaequators – bildet mit der Ekliptik einen Winkel von 231/2°, die des Mondaequators nur einen solchen von 11/2°; [Kepler nahm ihn irrthümlich noch zu 5° an.] Die Erdaxe liegt also gegen die Ekliptik ca. 661/2° geneigt und die Mondaxe 881/2°. Da Kepler, conform mit der neueren Astronomie, unter Weltpole die Pole der Aequatoren, gewissermassen die Endpunkte der Drehungsaxen, versteht, so folgt, dass die Weltpole der Erde und des Mondes ca. 22° [881/2–661/2] auseinander liegen [s. Fig. 7 u. Tafel I]. Die Neigung des Mondaequators gegen die Ekliptik, oder die Schiefe der Ekliptik der Mondbewohner ist also sehr gering und deshalb ist auch der Unterschied der Tage auf dem Monde nicht gross, höchstens 6–8 Stunden, was bei der Länge eines Mondtages – 709 Erdstunden [s. C. 59 u. 61] – kaum merklich sein dürfte.


58.


S. C. 59 u. 80 u. N. [117].


59.


Es ergeben sich diese Erscheinungen aus derselben Sinnestäuschung, durch die uns Erdbewohnern die scheinbare Bewegung der Himmelskörper und der Stillstand unserer Erde verursacht wird; s. N. [109.] [111.] u. C. 77. Da der Mond sich in Bezug auf die Sonne in 709 Erdstunden,

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 064. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_092.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)