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Hiermit beschliesst Kepler seine Allegorie über die Reise in den Mond und geht nunmehr zur speciellen Mondastronomie über, von der er uns durch den Mund des Dämons das Nachfolgende berichtet.


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Kepler drückt hier ganz bestimmt aus, dass die Fixsterne gegen einander dieselbe Lage behalten, ob man sie nun vom Monde oder von der Erde betrachtet. Es ist dies ein hochbedeutsames Moment, das ihm um so willkommener sein musste, als er dadurch den Grundgedanken seines Buches, den Sieg der copernicanischen Lehre, hervorzuheben Gelegenheit fand.

So lange nämlich unsere Erde als stillstehend galt, lag in einer Unverrückbarkeit der Fixsterne, schon nach damaligen Begriffen über die Entfernung der Weltkörper, nichts Befremdendes; als aber Copernicus die Erde in Bewegung setzte, sagten die Ptolemäer[UE 1]: ‚wenn das der Fall ist, so müssen die Fixsterne ihre Lage gegen einander verändern, ähnlich wie sich uns bei einer Fortbewegung entfernt stehende Gegenstände, z. B. eine Reihe Bäume, gegen einander zu verschieben scheint‘. – Und Tycho Brahe machte wirklich diese Thatsache, oder wie man sich wissenschaftlich ausdrückt, das Fehlen einer Fixstern-Parallaxe als einen Haupteinwand gegen das copernicanische Planetensystem geltend.

Um diesen zunächst nicht unberechtigten Einwand zu verstehen, müssen wir uns den Begriff klar machen. Unter Parallaxe versteht man allgemein die Aenderung des scheinbaren Ortes eines Gegenstandes bei Betrachtung von zwei verschiedenen Punkten aus, gemessen durch den Winkel, den die von dem Gegenstand nach beiden Beobachtungspunkten gezogenen geraden Linien einschliessen.

Die geodätische Aufgabe, die Länge einer Strecke auszumessen, zu der man nicht gelangen kann, bietet Gelegenheit, den Begriff der Parallaxe näher zu definiren. Angenommen es sei die Strecke AB [Fig. 4.] zu messen, die durch einen See unterbrochen ist, so wird man von B aus die

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Anhänger der Lehre von der im Mittelpunkt des Planetensystems still ruhenden Erde.
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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 057. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_085.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)