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die meisten einige Tage lang darnieder, Männer wie Frauen, und es war ein ansteckendes Leiden.‘

Erkennt man aus dieser Beschreibung der charakteristischen Erscheinungen der neuen ‚Krankheit‘[UE 1] die scharfe Beobachtungsgabe Tychos, so liest man anderseits unwillkürlich zwischen den Zeilen den Aberglauben heraus, womit er die Krankheit mit dem bösen Kometen in Beziehung bringt.

Wenn auch heute der Aberglaube sich nur noch in den sogn. Hausmitteln erhalten hat – man denke z. B. an die Sympathiemittel, an die abergläubischen Gebräuche bei Verwendung des Hollunders, der Alraun u. s. w. – so war doch zu damaliger Zeit die officielle Arzneimittellehre stark mit abergläubischen Vorstellungen durchsetzt. Oft mögen sie harmloser Natur und von guter Absicht ausgehend gewesen sein, aber nur zu oft wurden sie von Charlatanen und gewissenlosen Quacksalbern zum Nachtheil der leidenden Menschheit missbraucht.

Vielleicht hat Kepler hier an den Doktor Faust gedacht, dessen Legende ihm aus dem 1587 erschienenen Volksbuch bekannt war. Goethe, der später dasselbe Buch für sein Meisterwerk benutzte, führt uns diesen Aberglauben in klassischen Versen packend vor Augen:

‚– – – – – – – – –
Der über die Natur und ihre heil’gen Kreise,
In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,
Mit grillenhafter Mühe sann,
Der, in Gesellschaft von Adepten,
Sich in die schwarze Küche schloss,
Und, nach unendlichen Recepten,
Das Widrige zusammengoss.
Da ward ein rother Leu, ein kühner Freier,
Im lauen Bad der Lilie vermählt,
Und beide dann, mit offnem Flammenfeuer,
Aus einem Brautgemach in’s andere gequält.
Erschien darauf mit bunten Farben
Die junge Königin im Glas,
Hier war die Arzenei, die Patienten starben,
Und niemand fragte: wer genas?
– – – – – – – – – –‘


13. [15.]


Allenthalben findet man in Schifferbüchern die Ansicht, mag sie nun wahr oder falsch sein, dass die Steuerleute, die ihren Kurs von

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Wohl unsere heutige Influenza.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 030. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_058.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)