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Gehalt „Hermann und Dorothea“ an die Seite gesetzt zu werden, nur einen tragischen Verlauf nehmend, ist seine schöne Erzählung „Elsi, die seltsame Magd“. In der aufgährenden Zeit der neunziger Jahre, als die französische Revolution auch die Sitten und die Verhältnisse des Schweizervolks von Grund aus aufwühlt, in dieser Übergangszeit geht auch ein hundertjähriges Besitzthum zu Grunde, und der letzte der bäuerlichen Dynasten zieht als ein Lump in die Welt hinaus. Mit ihm aber verläßt, eine andere Straße ziehend, seine Tochter das verlorene Ahnenhaus. Deren Vorfahrinnen alle gewaltet, gesorgt und geherrscht haben, geehrt im Land, wandert die erste als Magd ihre Straße, ihr Bündelchen unter dem Arme, alle guten Eigenschaften, alles Ehrgefühl und allen Besitzesstolz der Mütter in der Brust, aber ohne Erbe und Vaterhaus, die Tochter eines Heruntergekommenen, eines Landstreichers. Daher beschließt sie in stolzem Sinne, den Namen des alten Hofs untergehen zu lassen, und niemand ist im Stande, ihre Herkunft zu erfragen. Alles ihr entgegenkommende Wohlwollen, alle Liebe weist sie zurück und hält ihr Geheimniß fest verschlossen, bis der sie liebende und wiedergeliebte Mann den Tod sucht in dem Feuer der andrängenden Neufranzosen, welche die alte morsche Bernerrepublik mit blutiger Anstrengung über den Haufen werfen und das neurepublikanische Wesen darauf pflanzen. Im Landsturme zogen bekanntlich Greise, Weiber und Kinder gegen die Franzosen aus, und so fand es seine angemessenste Begründung in diesem „historischen Hintergrunde“, daß das edle Mädchen in seinem Leide mit auszog und den Geliebten im Gefecht aufsuchte, um an seiner Seite zu sterben. Will man die Echtheit des

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Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_162.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)