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kratzen, bloß aus Ärger, daß es ein gut deutsches Gewächs war, entstanden aus reinem Reichsblute. Die Reaktion nennt die Schweiz einen Heerd des Kommunismus; die deutsche Demokratie nennt sie ein egoistisches filziges Krämernest, mit dem nichts anzufangen sei. Darüber werden die Schweizer selbst in müssigen Stunden unschlüssig und glauben es am Ende auch, so daß sie je nach den Parteien sich gegenseitig für die ausgemachtesten Teufelsbraten halten, bis die Arbeit sie wieder von dem nutzlosen Geträtsche wegruft.

Unterdessen setzt Fröhlich gelegentlich seinen alten Krieg fort und das auf die seltsamste Weise. Er schreibt nämlich dann und wann eine ästhetische Tendenznovelle, worin viel von gemalten Glasscheiben, altdeutschen Bildern und vorzüglich von Musik die Rede ist. Da werden dann die Radikalen nicht als Schelme wie früher, sondern als künstlerische Barbaren dargestellt, welche in gemüthlicher Tölpelei und musikalischer Roheit und Frivolität eine gar schlechte Figur spielen müssen, gegenüber den vornehm und streng gebildeten Conservateurs und ihren Töchtern, welche die Händel’schen Oratorien verstehen und zu schätzen wissen. So kommen die Männergesangfeste, wo radikalisirt wird, schlecht weg gegen die schweizerischen Musikfeste, welche von den zusammengetretenen Dilettantenorchestern und gemischten Chören gefeiert werden und wo, da Damen hierzu gehören und der Grundstock schweizerischen Orchesterwesens immer noch an die städtische Aristokratie geknüpft ist, naturgemäß ein exklusiverer Ton herrscht. Da werden die Freiheitslieder singenden plebejischen Schweizersänger, welche nach des Tages Hitze einen guten Schluck ziehen aus den silbernen Preispokalen, in ein höchst unvortheilhaftes Licht gesetzt gegenüber den Händel’sche

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Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_135.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)