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durch die Finger Sehen und wie alle die artigen Dinge heißen mögen, nebst vielen komischen Zügen. Vorzüglich zwei Momente ragen aus der Jugendgeschichte vorliegender „Käserei“ hervor: die gewaltige Revolution, welche unter den Frauen entstand, als sie, die seit Jahrhunderten über den Überfluß an süßer Milch und Butter unbeschränkt gewaltet, darin geschwelgt, Gastfreundschaft geübt und auch ein ansehnliches Nadelgeld bestritten hatten, nun plötzlich sich auf das Unentbehrlichste beschränkt sahen und die reinliche, weiße, so ganz weibliche Domäne den harten Händen der industriellen Männer übergeben sollten. Ferner als die Käserei endlich zustandegekommen, die volksthümliche oder menschliche Art und Weise, wie jeder einzelne, fast ohne Unterschied, sich beeilte, die Gemeinschaft zu betrügen durch verfälschte Milch, welche er lieferte, und nicht daran dachte, wie er sich nur selbst betrog, indem bald das Ganze darüber zu Grunde gegangen wäre.

Mit diesem Verlaufe ist nun noch eine hübsche Liebesgeschichte verbunden. Ein schöner überkräftiger und übermüthiger Magnatensohn, der Fürst und Herzog der wilden faustgerechten Jugend, liebt ein armes schüchternes, aber überaus feines Mädchen und wird von ihr wiedergeliebt; doch sind sich beide in ihrer Unschuld unklar darüber. Sie erfahren es aber durch einen ebenso überraschenden als hochpoetischen Zug des Dichters. Die Jünglinge des Dorfes kehren in sechs stattlichen Wagen, jeder von vier schweren stolzen Bauerpferden gezogen, von der Stadt zurück, wohin sie den Käse geliefert haben, und sprengen nun, vom Weine aufgeregt, in stolzem Übermuth auf der nächtlichen Straße daher, der Held voran als ein wahrhaft antiker Wagenlenker.

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Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_129.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)